Interview „Sonst geht die Ukraine an Russland“

Washington (RPO). Julia Timoschenko, Ex-Premierministerin und Oppositionsführerin in der Ukraine, nutzt ihre derzeitige USA-Reise als Wahlkampfauftakt. Seitdem im Spätsommer der pro-russische Ministerpräsident Viktor Janukowitsch die Regierung anführt, verlieren die pro-westlichen Kräfte - vor allem Präsident Viktor Juschtschenko - an Einfluss.

Julia Timoschenko traf in den USA unter anderem Vize-Präsident Dick Cheney und Außenministerin Condoleezza Rice. Wir sprachen mit Julia Timoschenko in Washington.

Wann rechnen Sie mit vorgezogenen Parlamentswahlen?

Timoschenko So bald wie möglich. Dem Verfassungsgericht liegt ein Antrag meiner "Block Julia Timoschenko"-Fraktion (BJuT) auf vorgezogene Wahlen vor. Das Gericht wird in zwei bis drei Wochen ein Urteil verkünden, dann kann im Spätsommer gewählt werden.

Wie soll die in der Vergangenheit nicht immer leichte Zusammenarbeit zwischen Ihnen und ihrem alten Weggefährten, Präsident Viktor Juschtschenko, in Zukunft aussehen?

Timoschenko Das Verhältnis zu Juschtschenko war oft nicht einfach. Wir als gewählte Politiker haben jedoch kein Recht, weiter Zeit zu vergeuden. Wir sollten auch nicht ewig zurückblicken und alte Wunden neu aufreißen. Was wir in den nächsten Wochen tun werden, ist ein Programm aufzustellen, mit dem wir unsere politischen Ziele effektiver voranbringen können.

Derzeit sind Sie dabei Ihrer Partei ein neues Profil zu geben. Wie wollen Sie die Wähler erreichen, die zuletzt für Viktor Yanukowitschs "Partei der Regionen" gestimmt haben?

Timoschenko Der Block soll ein sozialdemokratischeres Gesicht bekommen. Wir wollen, dass es für bestimmte Leistungen wie zum Beispiel die Mietpreise in städtischen Wohnungen und andere kommunale Preise eine feste Struktur gibt, so dass es keine unkontrollierten Preiserhöhungen mehr geben kann. Die Menschen im Osten und Süden haben beim letzten Mal für Janukowitsch gestimmt, weil er jedem alles versprochen hat.

Was für konkrete Unterstützung erwarten Sie von Ihrem Besuch in den USA?

Timoschenko Die so genannten postsowjetischen Länder, die sich für eine Orientierung gen Westen entschieden haben, benötigen dringend Unterstützung auf ihrem Weg nach Europa. Sollte sich der Westen von uns abwenden, würden wir sofort wieder an Russland verloren gehen. Es ist kein Geheimnis, dass ein Teil der ukrainischen Bevölkerung der Meinung ist, dass das Leben in der Sowjetunion einfacher gewesen ist. So denken 30 Prozent der Ukrainer, aber 70 Prozent denken genau anders, sie möchten in einem freien, Land leben und kein Anhängsel Russlands sein.

Die Einflussnahme Russlands in der Ukraine nimmt immer mehr zu. Jüngstes Beispiel ist die Eröffnung des Handel- und Kulturzentrums "Moskauer Haus" auf der Krim und die damit verbundene drei Milliarden Dollar zählende finanzielle Unterstützung Russlands für die Region. Beunruhigt Sie die Einflussnahme Russlands?

Timoschenko Ich bin sehr besorgt. Das ist ein glasklarer Versuch zur Spaltung der Ukraine. Es kann aber nicht sein, dass Russland versucht, auf dem Gebiet der Ukraine politischen Einfluss zu gewinnen.

Seit der Gründung der Gasimportfirma RusUkrErnergo im Sommer 2005 hat die ukrainische Regierung keine Kontrolle mehr über die für Ihr Land so wichtigen Gasimporte. Wie sollte sich der ukrainische Staat in Zukunft zu dieser von Russland kontrollierten Firma verhalten?

Timoschenko RusUkrEnergo ist in meinen Augen keine Firma, sondern ein politisches Projekt, das einzig der Destabilisierung der Ukraine dient. Das Monopoli-Spiel der Firma RusUkrErnergo muss ein Ende haben!

Hillary Clinton und Ségolène Royal haben ihre Ansprüche für Präsidentenämter bereits angemeldet und bestreiten Wahlkämpfe. Werden Sie im Jahr 2009 für das ukrainische Präsidentenamt kandidieren?

Timoschenko Ich begrüße es sehr, dass immer häufiger Frauen in hohe politische Ämter aufsteigen - das ist ein Zeichen der Emanzipation. Für mich ist es jedoch zu früh über eine Kandidatur im Jahr 2009 nachzudenken. Keiner weiß, wie die Verfassung zu der Zeit aussehen wird und welche Kompetenzen der Präsident dann haben wird. Ich kann mich heute noch nicht festlegen, ob ich antreten werde oder nicht.

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