Spanien und England streiten um Gibraltar Sommertheater um einen "Affenfelsen"

Düsseldorf · Bei diesem Streit geht es um einen Affenfelsen. Zugegebenermaßen, Gibraltar ist ein recht großer Felsvorsprung am südlichen Ende Spaniens, und - historisch betrachtet - strategisch wichtig dazu. Die symbolische Bedeutung aber scheint alles zu übertreffen. Der Streit zwischen Spanien und England nimmt skurrile Züge an.

England und Spanien streiten sich um Gibraltar
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Nein, David Cameron will nicht nachgeben. Und Mariano Rajoy erst recht nicht. Die Staatschefs der beiden europäischen Schwergewichte streiten sich wie Jungs im Sandkasten um ihr Spielzeug. So zumindest erscheint es vielen Betrachtern, die nicht involviert sind im Konflikt um das kleine Gibraltar am südlichen Ende Spaniens.

Doch worum geht es eigentlich? Seit mehr als 300 Jahren streiten sich Briten und Spanier um den Felsvorsprung am Südzipfel der Iberischen Halbinsel. Eine Kleinigkeit reichte nun aus, neue Spannungen zwischen London und Madrid aufkommen zu lassen. Die Regierung von Gibraltar hatte Ende Juli etwa 70 Betonklötze ins Meer werfen lassen, die spanische Fischer daran hindern sollen, dort ihre Schleppnetze auszuwerfen.

"Politik der vollendeten Tatsachen"

Madrid reagierte prompt, sah darin eine "Politik der vollendeten Tatsachen" und ordnete eine Verschärfung der Kontrollen an der Grenze zu Gibraltar an, was stundenlange Wartezeiten zur Folge hatte. Die Leidtragenden sind nicht nur die Bewohner Gibraltars, sondern auch Touristen und spanische Pendler. Spanien behält weitere Maßnahmen in der Hinterhand. Dazu gehören eine mögliche Grenzgebühr von 50 Euro für Kraftfahrzeuge oder eine Anrufung der Vereinten Nationen.

Nun wurde bekannt, dass britische Kriegsschiffe in Richtung Gibraltar in See stechen. Eine "friedliche Mission", wie es heißt. Mit dem Streit zwischen Großbritannien und Spanien um den "Affenfelsen" habe das Auslaufen des Flottenverbandes nichts zu tun, betonen die Regierungen in London und Madrid. Die Schiffe sollten an Manövern im Mittelmeer und im Persischen Golf teilnehmen, die schon seit Monaten geplant seien. Ein Schiff der spanischen Marine wird sich in den nächsten Tagen dem Verband anschließen.

Unterstützung von Separatisten

Allerdings erhofft London sich von der Flotte einen positiven Nebeneffekt im Streit um Gibraltar. Die Fernsehbilder vom Auslaufen der mit Union Jack geschmückten Kriegsschiffen könne den Spaniern signalisieren, sich ihre nächsten Schritte gut zu überlegen, meinen Beamte im Foreign Office. Zugleich unterstreicht die Flotte symbolisch die Entschlossenheit des britischen Premierministers David Cameron.

In Spanien dürfte der Konflikt für Ministerpräsident Mariano Rajoy eine willkommene Ablenkung vom Finanzskandal sein, der die konservative Volkspartei (PP) plagt. Spanischen Medienberichten zufolge hat Gibraltars Regierungschef Fabian Picardo ausgerechnet aus Madrid ein politisches Solidaritätsschreiben erhalten.

Alfred Bosch, Sprecher der katalanischen Nationalisten (ERC) im spanischen Parlament, sprach Picardo die Solidarität "seiner Partei und vieler Katalanen" gegenüber der "Hetze" und dem "Missbrauch" aus, denen das Volk von Gibraltar durch Spanien ausgesetzt sei.

Sommertheater um Betonklötze

Politische Beobachter in London und Madrid gehen allerdings davon aus, dass der von den Betonklötzen ausgelöste Zwist kaum mehr als ein Sommertheater sein dürfte. Cameron nutzt die Aufregung um Gibraltar gekonnt aus, um sich während der parlamentarischen Sommerpause als Macher in Szene zu setzten, der die Zügel fest in der Hand hält. Im Streit mit Madrid ist der Premier sich der Unterstützung der Bevölkerung sicher.

Gibraltar ist seit über 300 Jahren ein Zankapfel zwischen beiden Ländern. Die Briten hatten den Felsen den Spaniern 1704 abgejagt, 1713 wurde ihnen das Gebiet im Vertrag von Utrecht zugesprochen. Vor elf Jahren schien in dem Konflikt eine Lösung in Sicht zu sein: London und Madrid verständigten sich 2002 auf eine Formel für eine gemeinsame Souveränität. Die 30.000 Bewohner Gibraltars brachten das Vorhaben jedoch in einer Volksabstimmung zu Fall.

Rajoy meldet Ansprüche an

Sie wollen von einer Co-Souveränität nichts wissen und in jedem Fall britisch bleiben. Seither führten London und Madrid keine Verhandlungen mehr über Fragen der Souveränität Gibraltars. 2006 nahmen die Regierungen eine neue Gesprächsrunde auf, in der es aber nur um praktische Erleichterungen für die Bewohner Gibraltars ging und an der auch die Administration des britischen Territoriums beteiligt wurde.

Rajoy leitete nach seinem Wahlsieg 2011 jedoch einen Wandel in der spanischen Gibraltar-Politik ein. Er will die Frage der Souveränität wieder zu einem Thema machen und die Ansprüche Spaniens auf den Felsvorsprung bekräftigen.

(rpo/mit Agenturmaterial)
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