Israelische Panzer im Gazastreifen Soldaten-Entführer stellen Israel ein Ultimatum

Gaza (rpo). Die Entführer des israelischen Soldaten haben Israel ein Ultimatum gestellt. Bis Dienstag sollen alle palästinensischen Gefangenen frei gelassen werden. Die israelische Streitkräfte weiteten unterdessen ihre Militäroffensive aus: Am Montag rückten sie mit Panzern in den Norden des Gazastreifens vor. Sie wollen nach unterirdischen Tunneln und Sprengstoff suchen.

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Foto: AFP

Die Entführer des israelischen Soldaten verlangten, bis Dienstagmorgen müssten, palästinensische Gefangene aus israelischer Haft freigelassen werden, hieß es in einer am Montag veröffentlichten Erklärung. In einer in der Nacht zu Samstag veröffentlichten ersten Erklärung der drei an der Entführung des 19-jährigen Soldaten beteiligten Palästinensergruppen war die Forderung nach der Freilassung von insgesamt "1000 Palästinensern, Arabern, Moslems und anderen Gefangenen" erhoben worden. Zudem müsse die israelische Militäroffensive im Süden des Gazastreifens beendet werden, hieß es darin.

Am Montag jedoch hatten etwa 25 Panzer vom israelischen Dorf Mefalsim aus die Nordgrenze des Autonomiegebiets überquert. Die Streitkräfte sprachen von einem Routine-Einsatz. Am Mittwoch vergangener Woche waren erstmals seit neun Monaten wieder israelische Bodentruppen in den Gazastreifen einmarschiert, sie kamen allerdings von Süden und bezogen in der Nähe der Stadt Rafah Stellung. Im Norden des Autonomiegebiets werden seit Tagen Truppen zusammengezogen, so dass auch dort mit einem größeren Einsatz gerechnet wurde.

Auch die Luftangriffe wurden fortgesetzt. Bei einem nächtlichen Angriff auf ein Büro der radikalislamischen Hamas in Gaza und einem Granatenbeschuss im Norden des Gazastreifens wurden vier Menschen verletzt, wie es in palästinensischen Krankenhaus- und Sicherheitskreisen hieß. Die israelische Armee teilte mit, sie habe mehrere Luftangriffe verübt, die den radikalen Al-Aksa-Brigaden gegolten hätten. Die Brigaden sind ein bewaffneter Arm der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Das Militär habe Versammlungsräume der Brigaden in Gaza und ein Waffenlager im Norden des Gazastreifens angegriffen.

Drei bewaffnete Palästinenser getötet

Im südlichen Gazastreifen töteten israelische Soldaten drei bewaffnete Palästinenser, wie ein Armeesprecher sagte. Die Männer hätten sich den Soldaten "auf verdächtige Weise" genähert, deshalb hätten die Soldaten das Feuer eröffnet. Zwei der getöteten Palästinenser hätten einen Sprengstoffgürtel getragen. Der Vorfall ereignete sich demnach am Sonntag in der Nähe des Flughafens Dahanija.

Israels Inlandsgeheimdienst Schin Beth stellte sich darauf ein, dass der entführte Soldat noch mehrere Monate in der Gewalt seiner Geiselnehmer sein könnte. "Wir müssen uns in Geduld üben, es gibt keine Wunderlösung, die Lösung der Affäre könnte mehrere Monate dauern", sagte der Sicherheitschef von Schin Beth, Juval Diskin, laut Medienberichten am Sonntag bei der wöchentlichen Kabinettssitzung.

Regierungschef Ehud Olmert sagte demnach zu Beginn der Sitzung, er habe Armee und Sicherheitskräften den Befehl gegeben, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um "die Terroristen, ihre Ideologen und jene, die ihnen Schutz bieten" zu verfolgen. "Niemand wird geschont werden." Zugleich wies er erneut einen Austausch des Soldaten gegen palästinensische Gefangene zurück, wie es die Entführer fordern.

Die bei der israelischen Großoffensive festgenommenen Hamas-Minister sollen nach den Worten des israelischen Vizeregierungschefs Schimon Peres wegen Beteiligung an "Terrorakten" belangt werden. "Sie waren Regierungsmitglieder und haben sich dann terroristischen Akten" gegen eine zivile Regierung angeschlossen, sagte Peres am Sonntag dem US-Nachrichtensender CNN. Israelische Truppen hatten am Donnerstag im Westjordanland ein Drittel der palästinensischen Regierung festgenommen.

Israelischer Wissenschaftler kritisiert Israel

Der israelische Politikwissenschaftler und Hamas-Fachmann Schaul Mischal hält den israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen für kontraproduktiv. Er glaube, dass es dabei um mehr gehe als um die Befreiung eines von Palästinensern entführten israelischen Soldaten, sagte Mischal der "Berliner Zeitung". "Regierung und Militär sehen eine Gelegenheit, die Hamas auf die Knie zu zwingen, Veränderungen in der Autonomiebehörde zu bewirken - in der Hoffnung, dass moderatere Kräfte an die Macht kommen." Der an der Universität von Tel Aviv als Politikdozent tätige Hamas-Experte befürchtet, dass durch die israelische Offensive gemäßigte Hamas-Politiker weggedrückt würden und radikalere Kräfte nachrückten.

Außerdem seien bilaterale Verhandlungen über eine Konfliktlösung völlig unmöglich geworden, sagte Mischal. Er forderte die Europäer und die Vereinigten Staaten zum Eingreifen auf, um den Konflikt zu überwinden: "Der Konflikt ist bereits internationalisiert, spätestens seit israelische Kampfflugzeuge über syrisches Territorium flogen. Also muss auch international nach einer Lösung gesucht werden."

Er halte es für möglich, die Kontrahenten durch einen Kompromiss zu stoppen: "Der Soldat kommt frei, Wochen danach entlässt Israel palästinensische Gefangene. Danach müssen sofort umfassende Verhandlungen beginnen, sei es über die 'Roadmap' oder den arabischen Friedensplan vom März 2002", erläuterte der Wissenschaftler. Damit eine solche Vereinbarung aufgehe, reiche es seiner Auffassung nach nicht aus, wenn nur Ägypten dahinterstehe: "Die USA und Europa müssen eingreifen und die Gefangenenentlassung, aber auch nachfolgende Gespräche garantieren. Israel und Palästinenser sind allein nicht fähig, sich aus dieser Lage zu befreien", sagte Mischal.

(ap)
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