US-Präsidentschaftswahl So will Obama siegen

Washington · Der demokratische US-Präsident tritt im Jahr seiner möglichen Wiederwahl angriffslustiger auf als im Wahlkampf 2008. Er warnt eindringlich vorm vermeintlichen Radikalsparer Mitt Romney.

Obamas filmreifer Wahlkampf
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Barack Obamas beste Reklame, ein Zwei-Minuten-Film, wie ihn sich der Präsident nur erträumen konnte, kam von einem Konservativen. Clint Eastwood, Actionheld, Filmregisseur und bekennender Republikaner, sprach mit charakteristischer Reibeisenstimme vom Beinahe-Untergang der Autoindustrie in Detroit. Zu Bildern verfallener Fabrikhallen und ausgestorbener Straßenzüge erzählte er die Geschichte der Motor City, die um ein Haar alles verloren hätte, aber nun erneut kämpfe. "Wir kommen wieder, und wenn wir es tun, dann wird die Welt das Gebrüll unserer Maschinen hören."

"Halbzeit in Amerika" hieß der Streifen, den Chrysler in einer Werbepause des Superbowl-Football-Finales ausstrahlen ließ. Und David Axelrod, Obamas Wahlkampfvordenker, erinnerte sofort daran, dass es in Detroit keine zweite Spielhälfte mehr gäbe, wäre es nach einem gewissen Herrn Romney gegangen.

Die zweite Halbzeit, das Comeback der Autostadt, der kaltkrämerische Mitt Romney — man wird bis zur Wahl im November noch oft davon hören. Im Sinne seiner Philosophie der kreativen Zerstörung hatte Obamas Herausforderer einst in den Kommentarspalten der "New York Times" begründet, warum es falsch sei, ertrinkenden Fahrzeugbauern einen staatlichen Rettungsring zuzuwerfen. Dass die Pleitekandidaten General Motors und Chrysler inzwischen wieder schwarze Zahlen schreiben, lässt ihn im Nachhinein schlecht aussehen. Jedenfalls versäumt Obama keine Gelegenheit, um am Beispiel Detroits durchzubuchstabieren, welche Kluft ihn trennt von seinem Rivalen. Ein Amerika des Aufbaus gegen das Amerika der Abrissbirne — so ungefähr klingt es beim Amtsinhaber.

Der erhobene Zeigefinger

Die Konservativen, warnt er, wollten den Rotstift bei allem ansetzen, wovon der Normalbürger profitiere, von College-Stipendien bis hin zu Forschungssubventionen. "Das steht im Widerspruch zu unserer gesamten Geschichte: Aufstiegschancen für jeden, der gewillt ist, hart dafür zu arbeiten." Und wenn er höre, dass das Geld von allein von oben nach unten durchsickere, dass alle etwas davon hätten, wenn man den wohlhabendsten Amerikanern bloß keine höheren Steuern aufbrumme, dann müsse er sagen: "Das ist die Theorie. In der Praxis haben wir es acht Jahre lang ausprobiert. Es hat nicht funktioniert." Der erhobene Zeigefinger, der populistische Unterton, die angriffslustige Attitüde — es ist ein anderer Obama als der umjubelte Wahlsieger des Jahres 2008.

Damals punktete er als Brückenbauer, der das Land nicht nach Parteien, Rassen oder Religionsgruppen trennte, sondern immer nur von den Vereinigten Staaten von Amerika sprach. Damit konnte er erfahreneren, von manchen Parteischlachten gezeichneten Konkurrenten davonziehen, erst Hillary Clinton, dann John McCain. Das Versprechen des Ausgleichs entsprach seinem Naturell, passte zu seiner Vorgeschichte. Als Jurastudent im elitären Harvard gewann er die Wahl zum Chefredakteur des prestigeträchtigen "Law Review", weil republikanisch gesinnte Kommilitonen das Gefühl hatten, der Demokrat Obama könne sich gut in ihre Gedanken hineinversetzen. Und schon nach wenigen Monaten im Oval Office hagelte es Proteste der Parteilinken, die ihm vorwarfen, überm Basteln von Kompromissen mit der Opposition bis zur Unkenntlichkeit zu verwischen, wofür er eigentlich steht.

Wanderung auf dünnem Eis

Normalerweise verweisen US-Präsidenten gern auf die Erfolge ihrer ersten vier Amtsjahre, wenn sie wiedergewählt werden möchten. Auf Weichenstellungen, Trendwenden zum Besseren. Für Obama wäre es eine Wanderung auf zu dünnem Eis: Trotz mancher Hoffnungszeichen bleibt der Aufschwung brüchig, ist es nicht gelungen, die Arbeitslosigkeit (acht Prozent) so spürbar abzubauen, dass der Optimismus der 90er Jahre zurückkehrt und die nagenden Selbstzweifel ersetzt. Sechs von zehn Wählern glauben, dass die Republik in die falsche Richtung marschiert. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup liegen die Sympathiewerte pro Obama bei 46 Prozent, zwar höher als nach dem blamablen Schuldenpoker des vorigen Sommers, aber noch immer unter der 50-Prozent-Marke, die nach traditioneller Messlatte gute Wahlchancen signalisiert.

Der entzauberte Hoffnungsträger, der nach dem Crash der Finanzkrise eine Wirtschaft im freien Fall erbte, zurecht könnte er ins Feld führen, dass er Schlimmeres verhinderte, etwa durch das rasche Schnüren eines 787 Milliarden Dollar teuren Konjunkturprogramms, das den Absturz zumindest abfederte. Doch überzeugend wäre es nicht, einen Wahlkampf nach dem Motto "Es hätte schlimmer kommen können" zu führen. Ergo konzentriert sich Obama darauf, vor den Blaupausen des vermeintlichen Radikalsparers Romney zu warnen, so polemisch, wie es der Schärfe amerikanischer Kampagnen im Allgemeinen entspricht. "Ich kann mich an keine Zeit erinnern", deklamiert er, "in der die Wahl zwischen zwei rivalisierenden Visionen so eindeutig war."

(RP/sap/felt)
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