USA kein verlässlicher Partner mehr So reagieren US-Medien auf Merkels Bierzeltrede

Berlin/Washington · Weltpolitik im Bierzelt: Die Rede von Angela Merkel bei einem Wahlkampfauftritt in München macht weltweit Schlagzeilen. Die Kanzlerin hatte angedeutet, die USA seien kein verlässlicher Partner mehr - jedoch ohne das Land oder Präsident Donald Trump direkt zu nennen.

Nach dem weitgehend gescheiterten G7-Gipfel von Taormina hat Kanzlerin Angela Merkel erklärt: "Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen." Bei einem Wahlkampfauftritt in einem Bierzelt in München sagte sie zur Begründung: "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei." Merkel reagierte damit am Sonntag auf den G7-Gipfel, bei dem US-Präsident Trump die Gruppe der sieben großen Industrienationen (G7) mit seinem Konfrontationskurs in eine schwere Krise gestürzt hatte.

In den USA wurde Merkels Rede mit großer Aufmerksamkeit registriert. In den wichtigen Medien war sie eines der Aufmacherthemen und löste eine größere Debatte aus, die wiederum von einigen Kommentatoren als übertrieben bezeichnet wurde.

"Merkel schlägt ein neues Kapitel der US-europäischen Beziehungen auf", schrieb die "Washington Post" und bescheinigte der Kanzlerin "eine düstere Auslegung der transatlantischen Bindungen, die das Fundament der Sicherheit des Westens in Generationen seit dem Zweiten Weltkrieg waren". Merkel habe sich eindeutig gegen Trump gewandt, so das Blatt: "Sie hat ihn glasklar zurückgewiesen, ohne ihn ein einziges Mal beim Namen zu nennen."

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Foto: dpa, shp axs

"Die Kanzlerin, Europas einflussreichste Anführerin, schaut bereits über Trump hinaus", schrieb die "New York Times". Erkennbar enttäuscht habe sie aus den Begegnungen beim G7-Gipfel geschlossen, dass die USA unter Trump ihrem Land und ihrem Kontinent nicht mehr der verlässliche Partner seien, an dem man sich früher wie automatisch orientiert habe.

Die Kolumnistin Anne Applebaum schrieb auf Twitter: "Seit 1945 haben erst die UdSSR und dann Russland versucht, einen Keil zwischen Deutschland und die USA zu treiben. Dank Trump hat Putin es geschafft." Der New Yorker Medienwissenschaftler Jeff Jarvis kommentierte Merkels Ansprache in einem Tweet so: "Dieses ist eine bedeutende Rede in der Restrukturierung der Weltmächte. Wer bei Sinnen ist, muss ein starkes Europa unterstützen, um Russland zu kontern — und Trump."

Viele Kommentare in sozialen Netzwerken verwiesen aber auch darauf, dass die Kanzlerin in einem Bierzelt gesprochen habe: Wer aus dieser Rede nun eine Neudefinition des transatlantischen Verhältnisses machen wolle, blase eine Wahlkampfrede unverhältnismäßig auf.

Nach der G7-Pleite drängen führende deutsche Politiker auf eine engere Zusammenarbeit der europäischen Staaten. "Europa ist die Antwort. Eine stärkere Kooperation der europäischen Staaten auf allen Ebenen ist die Antwort an Donald Trump", sagte der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz dem ARD-Hauptstadtstudio. Schulz wirft Trump sogar "politische Erpressung" vor. "Der neue US-Präsident setzt nicht auf internationale Kooperation, sondern auf Isolationismus und das vermeintliche Recht des Stärkeren", schreibt er in einem Beitrag für den "Tagesspiegel".

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, sagte in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" zu den Beziehungen mit den USA: "Wir sind auf einem Tiefpunkt." Das habe G7 nochmals deutlich gezeigt. "Da ist leider außer Spesen nichts gewesen." Linke-Chefin Katja Kipping bezeichnete Trump als "infantilen Narzissten". Deutschland müsse nun "mit dem Duckmäusertum gegenüber den USA" aufhören und "eine klare Kante gegen das Aufrüstungs-Diktat von Trump" zeigen, sagte sie der "Bild"-Zeitung.

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Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, warf Trump vor, die weltweite Führungsrolle der USA aufs Spiel zu setzen. "US-Präsident Trump hat sich im Kreis der G7 mit fehlerhaften Analysen und fortwährender Wahlkampfrhetorik isoliert", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Der Grünen-Außenexperte Jürgen Trittin stellte sogar die Partnerschaft mit Trump in der "Bild" grundsätzlich in Frage: "Ein Nationalist kann kein Partner sein in einer Welt, die nach mehr und nicht nach weniger internationaler Kooperation verlangt."

(oko/dpa)
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