"Pussy Riot" gegen Putin Skandal-Band verteidigt sich vor Gericht

Moskau · Für die Punkband Pussy Riot wird es nach ihrer Kritik an Putin und der Kirche ernst. Heute müssen sie sich vor Gericht verantworten. Sie haben sich am Montag vor Gericht als nicht schuldig bekannt und ihre Aktion verteidigt. Den Frauen drohen sieben Jahre Straflager. Menschenrechtler sprechen von einem Justizskandal.

"Pussy Riot" vor Gericht
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Seit fast fünf Monaten sitzen drei Frauen der Moskauer Skandalband Pussy Riot in Untersuchungshaft - ihr Vergehen: Sie beteten in einer Kirche für ein Ende von Kremlchef Wladimir Putin. Wegen Rowdytums und Aufwiegelns zu religiösem Hass müssen sie sich deshalb von diesem Montag an vor Gericht verantworten.

Nach über zehn Stunden Verhandlungen wurde der Prozess auf Dienstag vertagt. Dann sollen weitere Zeugen zu der schrillen Protestaktion gegen Kremlchef Wladimir Putin in der wichtigsten orthodoxen Kirche Russlands gehört werden, wie die Agentur Interfax am Montag meldete.

Eine der Angeklagten sagte am zweiten Prozesstag in Moskau, es tue ihr leid, wenn sich Gläubige durch den Auftritt der Band angegriffen gefühlt hätten. Es sei nicht ihre Absicht gewesen, jemanden zu beleidigen, sagte die 23-Jährige. Ziel der Aktion sei es vielmehr gewesen, die Unterstützung des orthodoxen Patriarchen Kirill für Putin zu kritisieren, hieß es in einer von den Anwälten verlesenen Erklärung. Der Auftritt fand zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl statt, bei der Putin zum dritten Mal zum Staatschef gewählt wurde.

Menschenrechtler sprechen von einem "Schauprozess" und einem beispiellosen Justizskandal. Zwar wächst die Solidarität auch von Prominenten wie Sting, der Band Franz Ferdinand und anderen Musikern und Künstlern. Dennoch drohen den Frauen sieben Jahre Haft in einem Straflager.

Nadeschda Tolokonnikowa (22) und Maria Aljochina (24) - beide Mütter - sowie Jekaterina Samuzewitsch (29) sind angeklagt, mit einem Punk-Gebet gegen Putin am 21. Februar in der Erlöserkathedrale in Moskau die Gefühle von Gläubigen grob verletzt zu haben. Die Kirche gilt als das Herz des russisch-orthodoxen Christentums. Bilder zeigen, wie die Frauen in dem eigentlich nur für Würdenträger zugänglichen Altarraum mit Strickmasken vermummt herumspringen und sich bekreuzigen.

Putin reagierte angewidert

Für Aufsehen sorgte aber vor allem ein Internet-Video der Aktion, das mit dem Lied "Mutter Gottes, du Jungfrau, vertreibe Putin!" vertont ist. Putin selbst zeigte sich nach seiner Wiederwahl zum Präsidenten öffentlich angewidert von der Protest-Performance. "Ich hoffe, dass sich so etwas nie wiederholt", sagte er am 7. März. Viele nahmen dies wohl als Wink, an den Frauen ein Exempel zu statuieren.

Wegen des großen Interesses an dem Prozess hat das Gericht eine Übertragung der Verhandlung im Internet angekündigt. Die Staatsanwaltschaft wirft Pussy Riot vor, an den jahrhundertealten Grundfesten der russisch-orthodoxen Kirche gerüttelt zu haben. Sie sieht in den früheren Philosophie- und Journalistikstudentinnen eine Gefahr für die Gesellschaft.

Dagegen betonen die Verteidiger von Pussy Riot, dass sich die Frauen mit der umstrittenen Aktion auf das Recht der freien Meinungsäußerung berufen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die Musikerinnen nach ihrer Festnahme im März deshalb als politische Gefangene anerkannt.

"Dieses Verfahren ist politisch. Es wird direkt von Putin oder seiner Umgebung gesteuert", sagte der Verteidiger Nikolai Polosow der Deutschen Presse-Agentur. Die Frauen bereiteten sich deshalb schon innerlich auf eine Straflagerhaft vor. Ihre Untersuchungshaft ist bis Januar 2013 angesetzt. Polosow kritisierte, dass die Verteidigung nicht genügend Zeit gehabt habe, die Akten zu studieren. Die Ermittler haben sieben Bände mit rund 3000 Seiten vorgelegt - wegen rund einer Minute Protest gegen Putin und die Kirche.

Anklage wegen "Hooliganismus"

Schon bei den zahlreichen Gerichtsterminen - unter anderem dem zur Haftprüfung - in den vergangenen Wochen haben Beobachter immer wieder hervorgehoben, dass die Musikerinnen ungebrochen seien. Der Regisseur Wladimir Mirsojew, der im Gerichtssaal war, spricht von einem "himmelschreienden Kontrast zwischen denen, die richten, und denen, die angeklagt sind".

"Die toten Gesichter der Richter, die bösen Grimassen einer Gerichtshelferin. Die wandernden Augen des Staatsanwalts. Die Mädchen von Pussy Riot sind dagegen schön, ihre Reden sind klar und ausgewogen", sagte Mirsojew in einem Interview der Zeitung "Iswestija". Kommentatoren warnten, dass die Gesellschaft durch das übermäßig harte Vorgehen gegen die Frauen zunehmend gespalten werde.

Auch Kirchenfunktionäre wie der Diakon Andrej Kurajew kritisierten, dass bei der Anklage gar nicht klar sei, wer Anzeige erstattet habe und wer der Geschädigte sei. Zwar hätten die Feministinnen Gotteslästerung begangen, hatte Kurjaew in einem dpa-Interview kritisiert. Aber auch er äußerte die Vermutung, "dass es hier um Politik geht".

Die Anklage basiert auf dem Vorwurf des "Hooliganismus aus Gründen religiösen Hasses". Die Anwälte sehen hingegen höchstens eine Ordnungswidrigkeit. Und auch der Geistliche Kurajew sieht in der Aktion selbst keinen Schaden. Allerdings werde der Ruf der Kirche durch den Prozess sowie die lange Haft für Pussy Riot geschädigt.

(dpa/dapd)
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