Erneuter Schwenk Silvio Berlusconi: Sprechen Letta das Vertrauen aus

Rom · In Italien ist der Sieg von Ministerpräsident Enrico Letta bei der entscheidenden Vertrauensabstimmung im Senat so gut wie sicher. Sein Widersacher Silvio Berlusconi vollführte kurz vor dem Votum am Mittwoch eine Kehrtwende und erklärte, seine Partei Volk der Freiheit (PdL) werde den Sozialdemokraten nun unterstützen.

Enrico Letta - Italiens neuer Ministerpräsident
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Er habe Lettas Rede vor dem Senat gelauscht. "Und wir haben entschieden, nicht ohne einen gewissen internen Streit, die Regierung zu unterstützen", sagte Berlusconi im Senat. Mit dieser überraschenden Volte wird die Koalition von Lettas PD und der PdL aller Voraussicht nach Bestand haben. An der Mailänder Aktienbörse weitete der Leitindex seine Gewinne aus.

Schon am Vormittag hatte ihn die Aussicht auf einen Sieg Lettas auf ein Zwei-Jahres-Hoch getrieben.
Denn bereits zuvor hatten sich 25 Senatoren der Regierungspartei PdL bereiterklärt, mit Berlusconi zu brechen.

Sie wollten eine eigene konservative Parlamentsgruppe bilden und den Sozialdemokraten Letta unterstützen, erklärte PdL-Senator Roberto Formigoni. Schon damit hätte Letta eine Mehrheit im Senat, wo von den Sitzen her ein Patt zwischen seiner PD und der PdL herrscht. "Die Mehrheit für Letta ist sicher", sagte ein PdL-Vertreter. "Wir werden bald einen Erdrutsch erleben." Die Vertrauensabstimmung ist für den frühen Nachmittag vorgesehen.

Letta warb im Senat eindringlich um Vertrauen - auch im Hinblick darauf, dass das Land im Juli 2014 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Die Zukunft der Regierung müsse unabhängig sein von den juristischen Problemen Berlusconis, mahnte er. Die Regierung könne ihre Arbeit nur fortsetzen, wenn es eine klare Absprache über die Prioritäten gebe. Eine Neuwahl berge dagegen das Risiko, dass Italien keine stabile Regierung habe. Diese sei aber für das wirtschaftliche Wachstum des Landes unabdingbar. Die Wirtschaft Italiens stabilisiere sich und laufe auf eine Erholung zu.

Letta kann im Senat auf 138 Stimmen seiner PD und anderer Parteien der Mitte rechnen. Um eine Mehrheit der insgesamt 315 Senatoren zu erringen, benötigt der Regierungschef mindestens 20 weitere Stimmen. Wenn die PdL wie von Berlusconi jetzt angekündigt für Letta votiert, kann Letta auf eine breite Mehrheit bauen. Im Abgeordnetenhaus, der anderen Kammer des Parlamentes, verfügt er ohnehin über eine Mehrheit.

Mit dem Gönner gebrochen

Die Koalition aus Lettas PD und der PdL war am Sonntag auseinandergebrochen, nachdem Berlusconi die fünf PdL-Minister aus dem Kabinett abgezogen hatte. Am Dienstagabend hatte Letta jedoch diesen Ministern erklärt, er werde ihren Rücktritt nicht annehmen, und ihnen so sein Vertrauen ausgesprochen. Berlusconi dagegen löste mit seinem Schritt eine Revolte innerhalb der eigenen Partei aus. Selbst PdL-Generalsekretär und bisheriger Innenminister Angelino Alfano, der einst als Kronprinz Berlusconis galt, brach mit seinem Gönner und rief zur Unterstützung Lettas auf. Dass das Volk der Freiheit (PdL) nun vor der Spaltung steht, könnte letztlich Letta nutzen.

Mehrere PdL-Abweichler stellten nach Angaben von Verkehrsminister Maurizio Lupi den Antrag, Letta das Vertrauen auszusprechen. Lupi ist PdL-Mitglied und stand an der Spitze der Abgeordneten, die sich von Berlusconi abwandten, um das Überleben der Regierung des krisengeschüttelten Landes zu sichern. Dagegen rief Berlusconi seine Parteifreunde nach den Worten des PdL-Abgeordneten Luca D'Alessandro auf, Letta das Vertrauen zu entziehen. Niemand würde nach den Kämpfen eine Kehrtwende verstehen, habe Berlusconi gesagt. Zuvor hatte es in Parteikreisen gar geheißen, Berlusconi erwäge selbst, für Letta zu stimmen, nachdem sich wegen der Abweichler eine Mehrheit für die Regierung abgezeichnet habe.

Berlusconi hatte die Aufkündigung der Koalition offiziell mit der am Dienstag in Kraft getretenen Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Punkt auf 22 Prozent begründet. Letta warf hingegen Berlusconi vor, er nutze den Steuerstreit als Vorwand, um von seinen juristischen Problemen abzulenken. Dem wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig zu einer Haftstrafe verurteilten 77-jährigen Politiker droht der Ausschluss aus dem Senat. Am Freitag soll der Immunitätsausschuss darüber abstimmen.

(REU)
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