Tote bei Protesten in Afghanistan Sie rufen "Tod Amerika"

Kabul · Nachdem US-Streitkräfte in Afghanistan Koran-Bücher verbrannt haben, eskaliert am Mittwoch die Gewalt. Inzwischen ist von mindesten acht Toten die Rede. Der Versuch der Amerikaner, mit einer Entschuldigung die Lage zu beruhigen, blieb ohne Wirkung. Stattdessen brennt in Dschalalabad das Porträt Barack Obamas.

Februar 2012: Afghanen protestieren vor US-Stützpunkt gegen Koranverbrennung
9 Bilder

Februar 2012: Afghanen protestieren vor US-Stützpunkt gegen Koranverbrennung

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Die Proteste nahmen am Dienstag ihren Anfang. Tausende Afghanen hatten den Militärstützpunkt Bagram angegriffen, nachdem sich die Nachricht verbreitet hatte, dass amerikanische Nato-Soldaten Ausgaben des Koran verbrannt hatten. Dabei handelte es sich offenbar um ein grobes Versehen. Angeblich sollte bloß Müll enstorgt werden.

Tags darauf schaukelte sich erneut die Wut hoch. Bei neuen Protesten wurden am Mittwoch mindestens acht Demonstranten getötet. Dutzende weitere wurden bei den Ausschreitungen in verschiedenen Landesteilen verletzt, wie die Behörden mitteilten. Präsident Hamid Karsai forderte die US-Armee auf, die Übergabe des Gefängnisses von Bagram an die Afghanen zu beschleunigen.

Im Bezirk Schinwar in der Provinz Parwan nördlich von Kabul starben sechs Menschen, wie eine Sprecherin der Provinzbehörden der Nachrichtenagentur AFP sagte. Bei Zusammenstößen mit der Polizei seien 13 weitere Menschen verletzt worden. Die Demonstranten hätten die Beamten mit Steinen beworfen. Jeweils einen weiteren Toten gab es nach Angaben des Gesundheitsministeriums in der Hauptstadt Kabul und in der ostafghanischen Stadt Dschalalabad.

In Kabul setzten wütende Demonstranten nach Angaben der Polizei Fahrzeuge in Brand und griffen Geschäfte an, hunderte Afghanen lieferten sich Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. Dabei wurde auch auf die Demonstranten geschossen. Vor dem US-Stützpunkt Camp Phoenix in Kabul warfen Demonstranten mit Steinen, die Soldaten schossen daraufhin in die Luft, wie ein AFP-Fotograf berichtete. Von brennenden Autoreifen stieg schwarzer Rauch auf.

"Tod Amerika", riefen die Demonstranten in verschiedenen Teilen des Landes. In Dschalalabad setzten Studenten ein Bild von US-Präsident Barack Obama in Brand. Die US-Botschaft in Kabul riegelte das Botschaftsgebäude nach eigenen Angaben ab und untersagte den Mitarbeitern das Verlassen des Gebäudes. Im Zuständigkeitsbereich der Bundeswehr im Norden Afghanistans gab es nach Angaben eines Sprechers des Verteidigungsministeriums in Berlin zunächst keine Zwischenfälle.

Bereits am Dienstag hatten tausende Afghanen den Stützpunkt Bagram attackiert, nachdem bekannt geworden war, dass US-Soldaten dort Ausgaben des Koran verbrannt hatten. In einer Stellungnahme entschuldigte sich der Oberkommandeur der NATO-geführten Afghanistantruppe ISAF, General John Allen, für den Vorfall und ordnete eine umfassende Untersuchung an. US-Verteidigungsminister Leon Panetta bedauerte die "unangemessene Behandlung" von Ausgaben des Korans.

ISAF-Sprecher Jimmie Cummings sagte der Nachrichtenagentur AFP, er könne nicht bestätigen, dass die Koran-Ausgaben von US-Soldaten verbrannt wurden. Die Untersuchungen dauerten noch an. Zwei US-Beamte, die anonym bleiben wollten, sagten, die US-Armee habe die Bücher aus dem Gefängnis von Bagram entfernt, da die Häftlinge verdächtigt würden, sich mit Hilfe der Bücher heimlich Nachrichten zukommen zu lassen.

Bei einem Treffen mit dem stellvertretenden US-Verteidigungsminister Ashton Carter forderte Karsai die USA am Mittwoch auf, die Übergabe des umstrittenen Gefängnisses, das oft als das afghanische Guantanamo bezeichnet wird, an die Afghanen zu beschleunigen. "Je schneller die Übergabe des Gefängnisses erfolgt, desto weniger Probleme und bedauernswerte Vorfälle wird es geben", sagte Karsai nach Angaben seines Büros. General Allen forderte er auf, bei der vollständigen Aufklärung des Vorfalls mitzuwirken und dafür zu sorgen, dass sich derartige Zwischenfälle nicht wiederholten.

(AFP)
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