Schicksalswahlen in Belgien Separatisten feiern Erdrutschsieg

Brüssel (RPO). Belgien droht die Spaltung. Bei der vorgezogenen Parlamentswahl errang die Neu-Flämische Allianz (NVA) einen historischen Sieg. Die Partei will Flandern vom französischsprachigen Teil Belgiens trennen. Politische Gegner sprechen von einem beispiellosen Erdbeben in der Geschichte des Landes.

 Bart De Wever ist der Chef der flämischen Separatisten.

Bart De Wever ist der Chef der flämischen Separatisten.

Foto: AP, APN

Laut Hochrechnungen nach Auszählung von knapp der Hälfte der Stimmen wurde seine Neue Flämische Allianz stärkste Partei und wird die meisten Sitze im nationalen Parlament erhalten. Der Chef der flämischen Liberalen Alexander De Croo sprach von einem "beispiellosen Erdbeben in der Geschichte des Landes". Die Spaltung Belgiens steht damit zwar nicht unmittelbar bevor. Eine weitere Schwächung der Zentralregierung ist aber programmiert.

Im frankophonen Wallonien konnten sich die Sozialisten (PS) laut Hochrechnungen und ersten Resultaten als stärkste Partei behaupten. Doch obwohl De Wevers NV'A im Süden keine Schwesterpartei hat, kann sie mit 30 Sitzen in der Kammer rechnen, ein Plus von 22 Sitzen gegenüber 2007.

Sechs Wochen, nachdem die Regierung des Christdemokraten Yves Leterme wegen des Sprachenstreits zwischen Flamen und Wallonen zerbrochen war, waren am Sonntag rund 7,7 Millionen Belgier zur Wahl aufgerufen - ein Jahr früher als vorgesehen. Ob angesichts der komplizierten föderalen Struktur und der tiefen Feindschaft zwischen den Sprachengruppen bis zum 1. Juli eine neue Regierung gebildet ist, gilt als fraglich. Dann übernimmt Belgien für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft.

Die Neue Flämische Allianz, die 2007 noch fast an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war, schoss in manchen Regionen auf deutlich über 30 Prozent. Im Kanton Kapellen, einem der ersten vollständig ausgezählten, erreichte sie 36,5 Prozent. De Wever will eine "Evolution Belgiens", an deren Ende ein autonomes Flandern steht.

In einer Staatsreform nach der Wahl soll die Zentralregierung nach seinen Vorstellungen ihre verbliebenen Schlüsselkompetenzen für Justiz und Sozialsysteme an die Regionalregierungen abgeben. In Wallonien gibt es keine vergleichbaren Separatismusbewegungen. Der arme Süden mit seinen 4,5 Millionen Einwohnern profitiert vom Zentralstaat, der Ausgleichszahlungen aus dem wohlhabenderen Norden (rund 6 Millionen Einwohner) zahlt.

Wegen des Streits zwischen Flamen und Wallonen herrscht in Belgien praktisch seit 2007 eine politische Dauerkrise, überfällige Staats- und Wirtschaftsreformen liegen auf Eis. Nach der Wahl droht sich die Lage noch zu verschärfen. Der gescheiterte konservative Premierminister Leterme leitet derzeit noch eine geschäftsführende Regierung, die zumindest einen reibungslosen Start der EU-Präsidentschaft ermöglichen soll.

(apd/pst)
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