Patt nach Wahlen Schwere Schlappe für Netanjahu in Israel

Jerusalem · Überraschung bei der Parlamentswahl in Israel: Sowohl der rechtskonservative Block um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als auch die Mitte-Links-Opposition kamen laut Medienberichten auf jeweils 60 der 120 Mandate. Jetzt sind alle Augen augf den Politneuling Jair Lapid gerichtet.

Israels Parteien im Überblick
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Foto: dapd, Sebastian Scheiner

Nach dem jüngsten Stand hätte Netanjahu die sicher geglaubte Mehrheit verfehlt und müsste sich wohl mit dem Politneuling Jair Lapid arrangieren, dessen der Mitte zugerechnete Partei unerwartet gut abschnitt. Beobachter gingen davon aus, dass der bisherige Ministerpräsident wieder mit der Regierungsbildung beauftragt wird:

Er hätte wohl die größten Chancen, da zum gegnerischen Lager auch arabische Parteien zählen, die bisher noch nie in eine Koalition eingebunden waren. Netanjahu hatte die Neuwahlen in Erwartung eines sicheren Sieges vor drei Monaten angesetzt. Der frühere Fernsehmoderator Lapid mit seiner Partei Jesch Atid ("Es gibt eine Zukunft") mischte die Parteienlandschaft jedoch erfolgreich auf und stellte die Prognosen auf den Kopf.

Noch in der Nacht hatte es nach einer hauchdünnen Mehrheit für Netanjahus Lager ausgesehen, obgleich er einen herben Denkzettel verpasst bekam. Sein rechtskonservatives Bündnis aus Likud und Israel Beitenu konnte demnach 31 der 120 Parlamentssitze erwarten - deutlich weniger als die bislang 42 Mandate und auch weniger als nach letzten Umfragen zu erwarten war. Mit seinen bisherigen Koalitionären aus dem nationalistischen und ultrareligiösen Lager durfte Netanjahu dennoch auf eine wackelige Mehrheit aus 61 Mandaten hoffen.

"Gemeinsam Großes leisten"

In Rede vor Anhängern machte sich Netanjahu trotzdem für eine breit aufgestellte Regierungskoalition stark. "Die Hochrechnungen zeigen klar, dass die israelischen Bürger wollen, dass ich weiter als Ministerpräsident diene und eine möglichst breite Mehrheit(skoalition) bilde", schrieb er zudem auf seiner Facebook-Seite. Netanjahu deutete eine Reform der zahlreichen Sonderregeln für ultraorthodoxe Juden an und sprach vom Streben nach einem "echten Frieden" mit den Palästinensern, was Lapids Hauptforderungen entgegenkommt.

Nach den ersten Hochrechnungen bot er Lapid, dessen Partei demnach mit 19 Sitzen die zweitstärkste Fraktion bilden könnte, telefonisch die Zusammenarbeit an. "Wir haben die Gelegenheit, gemeinsam Großes zu leisten", gab Likud seine Botschaft wieder.
Lapid hatte vergangene Woche in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP betont, er stehe nicht als "Feigenblatt" für einen unnachgiebigen Kurs im Friedensprozess zur Verfügung.

Sollte Netanjahu nun tatsächlich wie angekündigt ein breites Koalitionsbündnis anstreben, könnte dies gravierende Auswirkungen auf die Friedensbemühungen im Nahen Osten haben. So haben seine Gegner der politischen Mitte bereits erklärt, sich einer Regierung unter Netanjahu nicht anzuschließen, falls er keinen ernsthaften Vorstoß zu einer Friedenslösung mit den Palästinensern unternehme.
Die Friedensverhandlungen sind in Netanjahus letzter Amtszeit ins Stocken geraten.

(dpa/felt/csi)
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