Wahlen bei den Eidgenossen Schweiz vor neuem Rechtsruck

Stans (RP). Am Sonntag wählen die Eidgenossen ein neues Parlament. Die rechtsnationale Schweizer Volkspartei wird aller Voraussicht nach ihre Position als stärkste Partei ausbauen können. Ihren Wahlkampf hat sie mit der Angst vor der EU, dem Euro und vor Ausländern bestritten.

 Mit Parolen wie "Kriminelle Ausländer ausschaffen", also ausweisen, wirbt die Schweizer Volkspartei von Christoph Blocher um Stimmen.

Mit Parolen wie "Kriminelle Ausländer ausschaffen", also ausweisen, wirbt die Schweizer Volkspartei von Christoph Blocher um Stimmen.

Foto: KEYSTONE, dapd

Eine kühle Brise gleitet über den blitzsauberen Dorfplatz von Stans. Die Männer, die den Platz überqueren, haben nur ein Thema: Der Blocher kommt. Christoph Blocher (71), Anführer der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), macht Wahlkampf in Stans. Das 7600 Einwohner zählende Städtchen ist Hauptort von Nidwalden. Und Nidwalden (40 000 Einwohner) ist stolzer Teil der Urschweiz. Die Kantone Unterwalden (Nidwalden und Obwalden), Schwyz und Uri gelten als Wiege der Eidgenossenschaft.

 SVP-Chef Christoph Blocher ist in der Schweiz eine Reizfigur.

SVP-Chef Christoph Blocher ist in der Schweiz eine Reizfigur.

Foto: AFP, AFP

Nidwaldens SVP will Blocher einen großen Empfang bereiten. In der Turmatthalle drängen sich Hunderte Blocher-Anhänger. Sie trinken Bier und Stanser Apfelwein, lästern über "die da in Bern", die Politiker in der Hauptstadt. Auf der Bühne stimmen die "Stanser Jodlerbuebe" das Publikum mit heimatlichen Weisen ein. Auch der hiesige Parlamentskandidat der SVP jodelt mit. Dann schlurft ein weißhaariger Mann mit ausgebeultem, grauem Anzug auf die Bühne. Stille. Der Milliardär Christoph Blocher ist angekommen.

Der neue Zampano

Er rudert mit den Armen. Dann legt er seine Hände auf die vordere Kante des Rednerpultes, als setze er zum Sprung an. Die Männer und Frauen recken die Hälse, sie wollen Blocher sehen und seine Botschaft hören. In Stans wird sich der große Zampano der Rechten über seine Lieblingsthemen auslassen: die EU, die Eurokrise und die Masseneinwanderung. EU und Euro kanzelt der einstige Chemieunternehmer als "intellektuelle Fehlkonstruktion" ab. Blocher kann die Häme kaum unterdrücken.

Und den Andrang der Fremden müsse man endlich stoppen. "Jetzt ist genug", schnarrt der frühere Oberst der Luftschutztruppen. Beifall, Jubel, Bravorufe. Blochers Botschaft kommt an. Laut Umfragen kann die SVP bei der Parlamentswahl am Sonntag mit weiteren Zugewinnen rechnen. Vor vier Jahren holte sie rund 30 Prozent. Die rechtspopulistische Volkspartei dürfte somit ihre Position als stärkste politische Kraft festigen.

Blocher verschweigt Entscheidendes

Blocher rudert wieder mit den Armen, wischt sich durchs Gesicht und rückt die Brille zurecht. Seine Stimme klingt schneidend, kalt. "Früher sind die Ausländer alle wieder weggegangen", sagt er. "Heute bleiben die alle hier." Empört verweisen Blocher und seine Helfer auf die Ausländerstatistik: Im Jahr 2010, so bestätigt die Regierung, betrug der Anteil der Nichtschweizer im Land 22,4 Prozent. Damit weist die Schweiz eine der höchsten Ausländerquoten Europas auf.

Was die SVP nicht sagt: Die langwierigen, komplizierten und teuren Einbürgerungsverfahren schrecken viele Fremde ab, das Bürgerrecht zu beantragen. Die beinharten Kampagnen der SVP gegen alle Nichtschweizer zeigen Wirkung. "Rassismus kann fast jeden überall treffen", warnt die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus. Eine Befragung der Kommission ergab: Fremd aussehende Menschen müssen fast überall Schikanen erdulden. Es reicht von scheelen Blicken über extralanges Wartenlassen in Gasthäusern bis zu ständigen Polizeikontrollen.

Die Rechte eilt von Erfolg zu Erfolg

Seit Mitte der 90er Jahre eilt die frühere Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei von Erfolg zu Erfolg: Die SVP verdoppelte die Zahl ihrer Sitze im Nationalrat von 1995 (29 Sitze) bis 2007 (62 Sitze). "Die SVP verführt mit ihrer Hetze immer mehr Menschen, das ist sehr beängstigend", warnen Intellektuelle wie der Genfer Soziologe Jean Ziegler. Der Zürcher Politologe Michael Hermann sieht eine in Europa einmalige Entwicklung: "Keine andere Rechtspartei hat bei Wahlen so kontinuierlich zugelegt."

Zwar sitzt ein SVP-Vertreter in der Regierung, dem Bundesrat. Doch in der direkten Demokratie der Eidgenossen, einem System, in dem das Volk die großen Fragen der Politik entscheidet, gebärdet sich die SVP so, als habe sie mit dem Kabinett nichts zu schaffen. Sie startete eine Volksinitiative gegen den Bau neuer Minarette — und hatte Erfolg damit. Ihr nächstes Ziel steht schon fest: Die Populistenpartei will den Zuzug von Ausländern strikt begrenzen und Kontingente einführen.

"Die Schweizer haben Angst"

Warum ist die SVP so erfolgreich? "Eigentlich geht es den Schweizern noch gut, sie leben auf einer Wohlstandsinsel", erklärt Hermann. "Doch sie haben Angst, etwas zu verlieren, sie haben Angst, überrollt zu werden", fügt er hinzu. Und genau diese Ängste werden von Blocher und seiner Partei geschürt.

Mit Blick auf die EU behauptet Blocher, nur die SVP garantiere die Unabhängigkeit und halte die Schweiz aus der EU heraus. Dann schwadroniert er von einem "Geheimplan" der anderen Parteien: "Sie wollen das Volk über ihre wahren Absichten hinters Licht führen und so die Integration in die marode EU vertuschen."

(RP)
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