Wirbel um angebliche Hilfen für Diktatur Schlagstocklieferung an Weißrussland dementiert

Berlin/Minsk · Das Bundesinnenministerium hat einen Bericht zurückgewiesen, wonach es eine Hundertschaft der weißrussischen Polizei mit Schlagstöcken ausgerüstet habe.

 Hans-Peter Friedrich sieht sich wachsender Kritik ausgesetzt.

Hans-Peter Friedrich sieht sich wachsender Kritik ausgesetzt.

Foto: dpa, Maurizio Gambarini

Die "Bild"-Zeitung hatte gemeldet, die Polizeitruppe habe komplette Körperschutzausstattungen erhalten, zu denen auch Helme, Schilde und Schlagstöcke gehörten. Ein Sprecher des Ministeriums sagte am Montag, man habe "keine Anhaltspunkte", dass Schlagstöcke an Weißrussland geliefert worden seien.

Die Ausstattungshilfe beschränke sich auf Computer, Kameratechnik, Drucker sowie drei VW Transporter. Auf die Frage, ob Länderministerien Schlagstöcke geliefert haben, sagte der Sprecher, er spreche nur für den Bund. Den Gesamtwert der Ausstattung, die geliefert wurde, wollte das Ministerium nachreichen.

Das autoritär regierte Weißrussland steht international in der Kritik, weil nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen die freie Meinungsäußerung sowie die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit stark eingeschränkt sind. Laut Amnesty sind zudem gewaltlose politische Gefangene in Haft und werden gefoltert.

Bislang war bekannt, dass Deutschland von 2008 bis 2011 rund 500 weißrussische Sicherheitskräfte geschult und Beobachter aus Minsk zum Polizeieinsatz während des Castor-Transports 2010 geladen hatte.

Gewerkschaft will stärkere Parlamentskontrolle

Von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) hieß es am Montag, die deutsche Polizei helfe gerne beim Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen im Ausland, als Erfüllungsgehilfe für zweifelhafte Ausbildungsgeschäfte mit autoritären Regimen tauge sie allerdings nicht. "Das im Falle Weißrussland offenbar fehlende Fingerspitzengefühl der Bundesregierung hinterlässt einen unappetitlichen Nachgeschmack", sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Frank Richter.

Richter forderte eine stärkere parlamentarische Kontrolle der Einsätze der Polizei im Ausland. Für alle Polizeimissionen und -einsätze müsse der Deutsche Bundestag ein Rückholrecht durch einen Parlamentsvorbehalt haben, verlangte er.

Die SPD verlangte von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Aufklärung im Parlament. Die SPD-Fraktion habe dazu eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragt, sagte der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Michael Hartmann, dem Hörfunksender MDR Info. "Was gar nicht geht, ist, dass die deutsche Polizei, die eine Bürgerrechtspolizei ist, die Prügeltruppe eines Diktators unterstützt", betonte Hartmann.

Die Osteuropa-Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Marieluise Beck, warf dem Friedrich-Ministerium politische Ignoranz vor. Nach seiner manipulierten Wiederwahl im Dezember 2010 habe der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko die Opposition inhaftiert, Demonstranten niederknüppeln lassen und Schauprozesse geführt, die sogar zu Hinrichtungen geführt hätten.

In den vergangenen Tagen war bekanntgeworden, dass deutsche Beamte Weißrussland bei der Polizeiausbildung unterstützt haben. Laut Bundesinnenministerium begann die Kooperation 2008. Sie wurde nach den manipulierten Wahlen 2010 stark zurückgefahren, aber erst im Herbst 2011 endgültig beendet. Friedrich hatte sein Amt im März 2011 angetreten. Laut "Tagesspiegel" wurden 500 Sicherheitskräfte aus dem autoritär regierten Land in Deutschland und in ihrer Heimat geschult.

"Unschöne Schlagzeilen" sollten verhindert werden

Das Auswärtige Amt war nach Informationen der "Bild"-Zeitung frühzeitig über die Zusammenarbeit informiert und gab im April 2008 auch seine Zustimmung. Das belegten E-Mails, die der Zeitung vorliegen. Darin habe der zuständige Referatsmitarbeiter dem damaligen deutschen Botschafter in Weißrussland signalisiert, dass keine grundsätzlichen Bedenken bestünden. Er habe jedoch hinzugefügt: "Man sollte diese Maßnahmen aber ggf. etwas flach halten, damit keine unschönen Schlagzeilen entstehen." Erst Mitte 2010 habe dann der neue deutsche Botschafter die Zusammenarbeit in Zweifel gezogen.

Offenbar gab es auch nach Ende der offiziellen Polizeihilfe noch Zusammenarbeit mit weißrussischen Sicherheitsbehörden. Bis ins Frühjahr 2012 sei ein "grenzpolizeilicher Verbindungsbeamter" in Weißrussland im Einsatz gewesen, bestätigte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums der "Bild am Sonntag".

Der Linke-Abgeordnete Jan Korte warf Friedrich vor, bei dem Thema falsche Angaben gemacht zu haben. "Auf eine Anfrage der Linksfraktion an die Bundesregierung vom 9. Dezember 2011 wurde eine Zusammenarbeit von deutschen Polizeikräften mit Milizen oder Geheimdiensten aus Weißrussland ausdrücklich ausgeschlossen", so Korte. "Wir werden dafür garantieren, dass diese Lüge auf die Tagesordnung des nächsten Innenausschusses kommt und für Aufklärung sorgen."

Sondersitzung bereits beantragt

Laut Berliner "Tagesspiegel" hatte die Bundesregierung zugleich jedoch "Maßnahmen im Bereich der polizeilichen Ausstattungs- und Ausbildungshilfe" eingeräumt. Die Polizei heißt in Weißrussland Miliz und gilt als williger Vollstrecker Lukaschenkos. Über "Milizen" - im Sinne von paramilitärischen Gruppen - ist unter dieser Bezeichnung aus der früheren Sowjetrepublik nichts bekannt.

Der SPD-Innenexperte Michael Hartmann beantragte wie angekündigt eine Sondersitzung des Gremiums. "Wir wollen, dass sich der Bundesinnenminister erklärt", sagte er dem "Tagesspiegel".

GdP-Vize Frank Richter sprach sich für ein Entsendegesetz aus. "Wenn deutsche Polizisten ins Ausland geschickt werden, muss das durch die Parlamente der zuständigen Bundesländer legitimiert werden", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag). Der Einsatz deutscher Beamte dürfe kein autoritäres Regime stützen.

Der weißrussische Internetblogger "JADwiga" schrieb auf der wichtigen oppositionellen Homepage charter97.org mit ironischem Ton: "Danke den Deutschen, dass sie die Lakaien des Führers (Alexander Lukaschenko) trainiert haben." Kritik kam auch von "Kusmitsch": "Frauen und alte Menschen schlagen: haben sie das in Deutschland auch unterrichtet?" Das Internet ist in Weißrussland verbreitet und gilt als eine der letzten Möglichkeiten, sich unabhängig zu informieren.

(dpa/dapd)
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