Präsident geht mit Interview in die Offensive Sarkozy sieht sich als Opfer einer Verschwörung

Paris (RP). Mit einem TV-Interview kämpft Frankreichs Präsident gegen den Ansehensverlust durch die Spendenaffäre um die L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt. Doch inzwischen ist das Klima im Land von Misstrauen vergiftet. Zwei Drittel der Franzosen sind unzufrieden mit dem Präsidenten.

Sarkozy gibt Interview im Garten des Elysée-Palastes
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Nach wochenlangen Negativ-Schlagzeilen in der Affäre um Steuerhinterziehung und illegale Parteispenden der L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt ist Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy in die Offensive gegangen. In einem einstündigen Fernsehinterview wies er am Montagabend sämtliche Vorwürfe zurück und beschuldigte politische Gegner der gezielten Lüge, um die von ihm geplante Rentenreform zu torpedieren.

Mit zusammengekniffenen Lippen und der Haltung eines Raubtiers, das zum Sprung ansetzt, erwartete Sarkozy auf der Terrasse des Elysée-Präsidentenpalastes die erste Frage zur Affäre. Dann setzte er zu einer Standpauke an, die David Pujadas, den Journalisten des staatlichen Fernsehsenders "France 2", wie einen gescholtenen Schuljungen aussehen ließ.

"Was für eine Zeitverschwendung!", schimpfte der Staatschef. "Wir haben so viel anderes zu tun!". Aber er sei auf so etwas gefasst gewesen. Wer Reformen anstrebe wie er, der störe zwangsweise jene, die sie verhindern wollten. "Die Antwort ist dann oft Verleumdung. Das ist eine Schande."

Der Präsident sieht sich als Opfer einer Verleumdungskampagne. Die Vorwürfe um illegale Parteispenden seien bewusst zu einem Zeitpunkt aufgekommen, zu dem seine Regierung eine schwierige Reform angehe, bei der das Rentenalter von 60 auf 62 Jahre angehoben werden soll. Sarkozy bezeichnete die Vorwürfe als "Verleumdung, eine Kampagne", um seine Regierung zu diskreditieren.

An seinem Arbeitsminister Eric Woerth will Sarkozy festhalten, wenngleich dessen Rolle in der Affäre nicht abschließend geklärt ist. Der am Sonntagabend veröffentlichte Prüfbericht der Finanzaufsicht, in dem diese keinerlei Einmischung Woerths in die Steuerangelegenheiten Bettencourts fand, habe den Minister "komplett entlastet", sagt der Präsident. "Das ist damit erledigt."

Allerdings greift Sarkozy damit den noch laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vor. Oppositionelle wie auch die gegen Staats-Korruption kämpfende Organisation Transparency International kritisierten zudem die mangelnde Unabhängigkeit der Behörde. Die Finanzaufsicht untersteht dem Finanzministerium, und der Chef der Behörde wurde vom Präsidenten selbst ausgewählt. Mit keinem Wort ging Sarkozy auf den Vorwurf ein, dass Bettencourt seinen Wahlkampf 2007 mit illegalen Barspenden von 150 000 Euro unterstützt habe. Pujadas fragte nicht nach.

Aufgekommen war die Affäre, nachdem ein ehemaliger Butler Bettencourts heimlich aufgenommene Gespräche der 87-Jährigen mit ihrem Vermögensberater preisgegeben hatte. Darin war unter anderem von Konten in der Schweiz die Rede. Bettencourt räumte deren Existenz inzwischen ein.

Da Woerths Ehefrau Florence erst vor kurzem unter dem Druck der Öffentlichkeit ihre Tätigkeit für den Vermögensberater aufgab, kam schnell der Verdacht auf, Woerth habe von der Steuerhinterziehung gewusst. Eine ehemalige Buchhalterin der Milliardärin sagte dann der Polizei, der Minister habe in seiner Rolle als Schatzmeister der Sarkozy-Partei UMP 150 000 Euro für dessen Wahlkampf erhalten.

Im Zusammenhang mit der Affäre fand am Montag eine Hausdurchsuchung bei Bettencourt statt. Sarkozy sagte im Fernsehen, er rate Woerth zur Aufgabe des Schatzmeisteramts. Dies allerdings nur, weil er sich ausschließlich auf die Rentenreform konzentrieren solle.

An diesem Dienstag soll der Minister die Reform im Kabinett vorstellen. Sie sieht eine Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters von derzeit 60 auf 62 Jahre vor. Sarkozy muss starken Widerstand fürchten. Laut einer aktuellen Umfrage ist die Unzufriedenheit über den Staatschef von zuletzt 59 auf jetzt 68 Prozent gestiegen. Die Franzosen trauen den Beteuerungen nicht, dass es in der Bettencourt-Affäre stets mit rechten Dingen zugegangen sein soll.

(RP)
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