Prozess vor dem Ende Saddam Hussein droht Sonntag das Todesurteil

Bagdad (RPO). Sonntag droht Saddam Hussein das Todesurteil. Er steht wegen der Ermordung von 148 Schiiten aus dem Dorf Dudschail vor Gericht. Es wäre das erste Urteil gegen den früheren Diktator, mehr als dreieinhalb Jahre nach Ende des Irak-Krieges. Dem 69-Jährigen bleibt die Hoffnung auf eine mögliche Berufung. Die Mehrheit der Iraker glaubt, dass Hussein die Hinrichtung bevorsteht.

Saddam Husseins Verbrechen
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Foto: AFP

Mehr als 24 Jahre ist es her, dass Saddam Hussein bei einem Besuch in dem Schiiten-Dorf Dudschail von Unbekannten beschossen wurde und den Ort anschließend monatelang mit Terror überzog. Mehr als 600 Menschen wurden festgenommen und verschleppt, 148 von ihnen wurden nie wieder gesehen. Ihre Leichen sind bis heute verschwunden. Die Staatsanwaltschaft fordert auch die Todesstrafe für zwei von Saddam Husseins sieben Mitangeklagten.

Von einer Hinrichtung Saddam Husseins versprechen sich der irakische Ministerpräsident Nuri el Maliki und seine Anhänger einen Schlussstrich unter eine unheilvolle Zeit. Mit dem Tod des sunnitischen Ex-Präsidenten werde denjenigen der Nährboden entzogen werden, die mit aller Gewalt wieder die Macht übernehmen wollen, ist der Regierungschef überzeugt. Zusammen mit den Amerikanern verstärkt Maliki derzeit die Anstrengungen, die desolate Sicherheitslage in den Griff zu bekommen. Darüber beriet er unter anderem mit dem am Freitag überraschend eingetroffenen Nationalen Geheimdienstkoordinator der USA, John Negroponte.

Zu Prozessbeginn am 19. Oktober vergangenen Jahres saßen viele Iraker noch fasziniert vor den Fernsehbildschirmen. Dünner, mit Bart und ohne seine allgegenwärtige Uniform trat der ehemalige Staatschef auf, während die Staatsanwälte die Anklage verlasen. Nicht selten tobte Saddam Hussein auf der Anklagebank und weigerte sich, die Rechtmäßigkeit des Gerichts anzuerkennen. Bis offenbar auch ihm klar wurde, dass er gegen das Justizsystem des neuen Staates nicht viel ausrichten kann. Und angesichts des alltäglichen Terrors hat das Interesse der Menschen an dem Justizspektakel stark abgenommen; die Iraker haben größere Sorgen.

Nach der Urteilsverkündung haben die Anwälte Saddam Husseins zunächst einmal vier Wochen Zeit, um Berufung einzulegen. Die Antwort des Gerichtes könne "zwei Wochen, aber auch zwei Monate dauern", sagt Chefankläger Dschaafar el Musawi. Sollte die Berufung abgewiesen werden, müsse die Todesstrafe innerhalb von 30 Tagen vollstreckt werden, betont Musawi, dies sei genauestens gesetzlich geregelt. Einige im Irak hoffen, eine mögliche Hinrichtung werde so lange verschoben, bis auch das Urteil im zweiten Prozess gegen Saddam Hussein durch die Instanzen ist. Wegen des Völkermords an rund 180.000 Kurden in den Jahren 1987 und 1988 droht dem Ex-Präsidenten auch hier die Todesstrafe. Für Musawi und Maliki sind weitere Verzögerungen jedoch inakzeptabel. "Das Gericht sollte nicht auf andere Fälle warten", sagt der Chefankläger.

Jetzt, wo die Todesstrafe in greifbare Nähe gerückt ist, macht sich mancherorts wieder Unterstützung für Saddam Hussein bemerkbar. So trafen sich im vergangenen Monat sunnitische Stammesführer in der Nähe der nordirakischen Stadt Kirkuk. Sie zeigten Plakate des ehemaligen Staatschefs und forderten die Freilassung ihres "rechtmäßigen" Präsidenten. Eine Rückkehr ist jedoch ausgeschlossen: 150.000 US-Soldaten sind im Land stationiert, das in großen Teilen von schiitischen Milizen kontrolliert wird. Sie bekämpfen bis aufs Blut diejenigen, die mit dem alten System in Verbindung stehen.

Die Verteidiger Saddam Husseins malen ein Schreckensbild an die Wand, sollte ihr Mandant tatsächlich hingerichtet werden. "Die Entscheidung, die Todesstrafe zu vollstrecken, wird das Land in Flammen setzen und die gesamte Region ins Ungewisse stürzen", warnte kürzlich der Anwalt Chalil El Dulaimi in einem offenen Brief an US-Präsident W. Bush.

(afp)
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