Brüssel/Moskau Russland warnt Europa vor Gas-Engpass

Brüssel/Moskau · Noch läuft die Versorgung in der EU normal. Doch wenn jetzt die Speicher geleert werden, fehlt das Gas im Winter, warnt EU-Kommissar Oettinger. Ein genereller Exportstopp ist aber nicht zu fürchten. Russland braucht das Geld.

Wie gefährlich ist Russlands "Gas-Waffe"?
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Foto: FILES, AFP

Der Lieferstopp, den der russische Konzern Gazprom für die Ukraine verhängt hat, alarmiert Europa. Die Ukraine ist das wichtigste Transitland für russische Gaslieferungen in die EU.

Worum geht es im Gasstreit? Es geht um die Zahlungen offener Gas-Rechnungen und den Preis für zukünftige Gaslieferungen an Kiew. Moskau besteht auf einer sofortigen Zahlung von 1,9 Milliarden Euro und auf einem generellen Gaspreis von 385 Dollar. Gestern morgen lief eine neue Frist Moskaus zur Begleichung der ukrainischen Schulden aus, die Gazprom inzwischen auf 3,290 Milliarden Euro beziffert. Die Ukraine kann das nicht zahlen. Das Land steht kurz vor der Pleite und wird durch internationale Finanzhilfe über Wasser gehalten.

Was hat die EU als Kompromiss vorgeschlagen? EU-Energiekommissar Günther Oettinger bot als Vermittler an, dass die Ukraine zunächst ausstehende Schulden in Höhe von einer Milliarde Euro begleicht. Weitere offene Rechnungen sollten dann in sechs weiteren Zahlungen beglichen werden. Als Gaspreis schlug er für den Winter 385 Dollar pro 1000 Kubikmeter Gas vor, für den Sommer rund 300 Dollar. Moskau fand das inakzeptabel und drehte Kiew den Gashahn zu.

Ist nun die Versorgung in der EU gefährdet? Moskau versicherte, die vereinbarten Gaslieferungen in die EU seien nicht betroffen, warnte aber trotzdem vor Problemen. Der Grund: Die völlig vom russischen Erdgas abhängige Ukraine könnte für den Transit bestimmtes Gas für den Eigengebrauch abzweigen. Die Ukraine wies dies gestern von sich. Sein Land werde einen "verlässlichen Gas-Transit in europäische Länder sicherstellen", versicherte der ukrainische Energieminister Juri Prodan.

"Die Versorgung der EU ist normal", versicherte auch eine Sprecherin der EU-Kommission. Energiekommissar Günther Oettinger fürchtet aber Probleme im Winter, sollten die Speicher jetzt angezapft werden müssen. "Wenn die Speicher jetzt nicht gefüllt werden, bekommen wir alle im Winter möglicherweise ein Problem", sagte er.

Wie voll sind die Speicher? Die Gasspeicher in der Ukraine enthalten derzeit 13,5 Milliarden Kubikmeter Gas. Um Versorgungssicherheit für die EU herzustellen, müsse die Menge bis Ende des Sommers aber auf rund 18 bis 20 Milliarden Kubikmeter steigen, hieß es gestern in Brüssel. Eine bestimmte Menge Gas in den ukrainischen Speichern ist nötig, um Schwankungen beim Gas-Transit auszugleichen.

Petro Poroschenko als neuer Präsident der Ukraine vereidigt
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Drohen in Deutschland kalte Heizungen? Nein, aktuell besteht kein Grund zur Sorge. Die 51 deutschen Gasspeicher sind nach Regierungsangaben aktuell zu fast 75 Prozent gefüllt. Die Speicher sind privatwirtschaftlich organisiert. Auch RWE und Eon unterhalten solche Gasspeicher. Aus geologischen Gründen liegen sie vor allem ganz im Süden und im Norden Deutschlands. Das Gas wird in Salzstöcken und Gesteinshohlräumen, teilweise in mehr als 1000 Meter Tiefe, gespeichert.

Was ist mit alternativen Lieferwegen? Ein Großteil der russischen Ausfuhren läuft zwar immer noch über die Ukraine. Doch durch die Inbetriebnahme der ersten Stränge der Ostseepipeline Nord-Stream ist der Anteil zuletzt auf rund 50 Prozent gesunken. Die anderen 50 Prozent kommen entweder über die neue Leitung unter dem Meer oder durch die Jamal-Pipeline über Weißrussland und Polen.

Was, wenn Moskau einen Exportstopp nach Westen verhängt? Das ist bisher noch nie passiert. Selbst während des Kalten Krieges wurde das Gas aus der Sowjetunion geliefert. Energiekommissar Oettinger zeigte sich gestern denn auch überzeugt, dass Russland zu seinen Lieferverpflichtungen gegenüber der EU stehen werde. Zumal Russland die Einnahmen aus dem Gasexport nach Europa braucht, um seinen maroden Staatshaushalt zu unterhalten.

Was will Russland? Moskau will Kiew als unzuverlässigen Partner vorführen. Der Hintergedanke: Sollte sich die Energieversorgung im Westen wie 2009 verschlimmern, hätte Russland noch stärkere Argumente für den Neubau und die Auslastung von Pipelines. Da ist die aus politischen Gründen nur zu 50 Prozent ausgelastete Opal-Leitung in Deutschland, auf die Gazprom gern vollen Zugriff hätte.

Vor allem aber hoffen die Russen auf Rückenwind für den zuletzt ins Stocken geratenen Bau der südlichen Ukraine-Umgehung South Stream.

(RP)
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