Die Nacht im Überblick Russland verweigert Osterfrieden in der Ukraine

Kiew · Nach ukrainischen Angaben ist Russland auf Forderungen einer Feuerpause über die orthodoxen Osterfeiertage nicht eingegangen. In der Nacht zum Freitag kam es zu zahlreichen Gefechten. Ein Überblick zum Geschehen in der Nacht.

 Ein Ukrainer geht an von Artillerie zerstörten Gebäuden vorbei, während er mit seinen Habseligkeiten sein Haus verlässt.

Ein Ukrainer geht an von Artillerie zerstörten Gebäuden vorbei, während er mit seinen Habseligkeiten sein Haus verlässt.

Foto: dpa/Emilio Morenatti

Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat Russland den Vorschlag einer Feuerpause über die orthodoxen Osterfeiertage abgelehnt. Die Absage einer Feuerpause zum Osterfest der orthodoxen Christen an diesem Wochenende zeige, sagte Selenskyj, was der christliche Glaube und einer der fröhlichsten und wichtigsten Feiertage den Führern Russlands gelte. „Wir werden aber trotzdem die Hoffnung behalten. Die Hoffnung auf Frieden, die Hoffnung darauf, dass das Leben über den Tod siegt“, sagte Selenskyj.

Unter anderem hatte Papst Franziskus im Vorfeld des Osterfestes der orthodoxen Christen an diesem Wochenende zu einer Waffenruhe aufgefordert. Orthodoxe Christen begehen Ostern in diesem Jahr am 24. April.

Über die militärische Lage in der Ukraine gibt es keine unabhängigen Berichte. Offizielle Mitteilungen der Kriegsbeteiligten können von Eigeninteressen gefärbt sein. Selenskyj zufolge dauert der Widerstand in der Hafenstadt Mariupol an. Die Stadt widersetze sich weiter Russland, sagte er in der Nacht zum Freitag. „Trotz allem, was die Besetzer über sie sagen.“

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte die Stadt am Donnerstag für erobert erklärt. Allerdings haben sich in dem dortigen Stahlwerk Azovstal nach russischen Angaben mehr als 2000 ukrainische Kämpfer und ausländische Söldner verschanzt. Sie gingen bisher nicht auf Putins Forderungen ein, die Waffen niederzulegen. Putin ordnete am Donnerstag keine Erstürmung, sondern eine hermetische Abriegelung des Geländes an.

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Foto: dpa/Andrii Marienko

Laut dem US-Kriegsforschungsinstitut ISW ist es „eher unwahrscheinlich“, dass durch eine Reduzierung des Operationstempos in Mariupol nun signifikante Kräfte für russische Offensiven an anderen Orten im Osten frei werden. Russische taktische Bataillone hätten im Kampf um die Stadt hohe Verluste erlitten und bräuchten Zeit für eine Verlegung, heißt es in der jüngsten ISW-Analayse. Ein Teil der dort eingesetzten Truppen werde zudem für mehrere andere Missionen gebraucht, darunter die Belagerung des Asovstal-Werks oder die Sicherung der restlichen Stadt.

Laut einer Beraterin des ukrainischen Präsidentenbüros haben russische Truppen binnen 24 Stunden 42 Orte in der Region Donezk im Osten besetzt. Insgesamt kontrollierten russische Einheiten aktuell in der gesamten Ukraine mehr als 3500 Orte, sagte Olena Simonenko in der Nacht zum Freitag im ukrainischen Einheitsfernsehen. Zuletzt waren auch russische Vorstöße in der Region Luhansk gemeldet worden.

Nach ukrainischen Angaben haben mittlerweile fast drei Viertel aller Menschen den von der Ukraine kontrollierten Teil der umkämpften Region Donezk im Osten des Landes verlassen. Das sagte der Gouverneur der Region Donezk, Pawlo Kyrylenko, im ukrainischen Einheitsfernsehen, wie die Internet-Zeitung „Ukrajinska Prawda“ am Freitagmorgen berichtete.

Ukrainischen Angaben zufolge sind in mehreren Regionen im Osten und Süden des Landes mehrere Menschen durch Beschuss verletzt oder getötet worden. In der Region Charkiw seien zwei Personen ums Leben gekommen, nachdem ein Geschoss in ihr Auto eingeschlagen war. Insgesamt seien am Donnerstag in der Region Charkiw etwa 50 russische Angriffe durch Artillerie und Mehrfachraketenwerfer registriert worden, sagte der Gouverneur Oleh Synjehubow.

Aus der südlichen Stadt Saporischschja hieß es, bei zweimaligem Beschuss der Stadt am Donnerstag seien acht Personen verletzt worden. Die Druckwelle einer Rakete habe unter anderem die Fenster von vier Waggons eines Evakuierungszuges zerstört. In der Region Dnipropetrowsk seien bei drei Raketenangriffen fünf Menschen verletzt und Bahngleise völlig zerstört worden. Auch aus der südlichen Großstadt Mykolajiw wurde in der Nacht zum Freitag erneut Beschuss berichtet. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.

Wegen des russischen Angriffskriegs braucht die Ukraine nach Einschätzung von Präsident Selenskyj monatlich rund sieben Milliarden US-Dollar (rund 6,5 Milliarden Euro), um ihre wirtschaftlichen Verluste auszugleichen. Zudem werde die Ukraine „Hunderte Milliarden Dollar brauchen, um später wieder alles aufzubauen“, sagte Selenskyj am Donnerstag per Videoschalte bei einer internationalen Geberkonferenz der Weltbank in Washington.

Die USA haben nach Angaben des Pentagons einen neuartigen Drohnentyp entwickelt, der Anforderungen des ukrainischen Militärs entspricht und nun weiter angepasst werden soll. „In Gesprächen mit den Ukrainern über ihre Anforderungen waren wir der Meinung, dass dieses spezielle System sehr gut für ihre Bedürfnisse geeignet wäre, insbesondere in der Ostukraine“, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby am Donnerstagnachmittag (Ortszeit). Die Entwicklung der Drohne mit dem Namen „Phoenix Ghost“ habe bereits vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs begonnen. Man wolle diese nun weiter so vorantreiben, dass sie noch besser zu den ukrainischen Anforderungen passe. Mehr als 120 der Drohnen sollen im Rahmen eines neuen Militärhilfepakets der US-Regierung in die Ukraine geliefert werden.

Die Bundesregierung will rund 37 Millionen Euro für den Wiederaufbau der Ukraine bereitstellen. Die Mittel sollen eingesetzt werden, um Schäden zu beheben, die durch den russischen Angriffskrieg verursacht wurden. „Die Ukraine braucht dringend Wohnraum für die Millionen Binnenvertriebenen und sie braucht ein intaktes Stromnetz. Hier kann die deutsche Entwicklungszusammenarbeit kurzfristig helfen“, sagte Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) vor der Weltbanktagung der „Augsburger Allgemeinen“ (Freitag).

Knapp zwei Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine will die Organisation Fridays for Future europaweit für ein sofortiges Ende der Gaslieferungen aus Russland demonstrieren. Wie die Organisation der Deutschen Presse-Agentur mitteilte, sind an diesem Freitag unter anderem Protestzüge und kleinere Kundgebungen in mehreren Städten in Polen, Ungarn, Belgien und auch Deutschland geplant. In Brüssel planen die Aktivisten am Mittag eine Kundgebung vor der deutschen Botschaft.

Deutschland stehe „wegen seiner blockierenden Haltung“ zu Gasimporten besonders im Fokus, hieß es. Auch am möglichen künftigen Flüssiggas-Terminal im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel ist eine Aktion geplant.

(peng/dpa)
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