Eskalationsspirale in der Krim-Krise Russland und USA suchen den Notausgang

Der Westen fürchtet den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Moskau aber winkt ab: Kein Interesse, sagt Außenminister Lawrow. Am Sonntagabend trifft er sich zu neuen Verhandlungen mit seinem US-Kollegen Kerry. Beide Länder sind auffallend bemüht.

Eskalationsspirale in der Krim-Krise: Russland und USA suchen den Notausgang
Foto: afp, ab/RT/AG

Nach dem Konflikt über die Annexion der Krim kommen Russland und die USA wieder ins Gespräch. In einem Telefonat vereinbarten die Präsidenten Wladimir Putin und Barack Obama für (den heutigen) Sonntagabend Verhandlungen ihrer Außenminister zur Entspannung der Lage.

Vorab äußerte der russische Ressortchef Sergej Lawrow im Fernsehen aber erneut Kritik an den Sanktionen gegen sein Land und warf dem Westen Heuchelei vor. Auch Amerika verurteilt die Annexion der Krim konsequent als Bruch des Völkerrechts. Doch das wirkt wie Polit-Folklore. Die Worte sind das eine. Der Umgang mit Fakten das andere.

Die Hauptsorge des Westens ist, dass Russland nach der Krim noch weitere Teile der Ukraine besetzen oder eingliedern könnte. Putin ließ sich schon vor Wochen vom russischen Föderationsrat eine Militärintervention genehmigen und zog nach westlichen Erkenntnissen Truppen an der Grenze zur Ukraine zusammen. Moskau beklagt Übergriffe auf russischsprachige Bürger im Osten der Ukraine, bestreitet aber Absichten zum Einmarsch. Dazu sagte Lawrow: "Wir haben absolut keine Absicht und kein Interesse daran, die Grenze zur Ukraine zu überschreiten."

Thema für Lawrow und seinen US-Kollege John Kerry beim Treffen in Paris war nach amerikanischer Darstellung ein US-Vorschlag zur Entschärfung der Krise. Dieser sieht unter anderem die Entwaffnung von Milizen in der Ukraine vor, die Entsendung internationaler Beobachter zur Sicherung von Minderheitsrechten und politische sowie verfassungsrechtliche Reformen.

Russland will in der Ukraine eine neue föderale Struktur mit weitgehender Autonomie einzelner Regionen. Die US-Seite zeigt sich dafür offen, betont aber, dies müsse akzeptabel für das ukrainische Volk sein.

Am Freitag hatte Putin überraschend Obama angerufen und eine Stunde mit ihm gesprochen. Nach Darstellung des Weißen Hauses drängte Obama den russischen Präsidenten, seine Truppen von der ukrainischen Grenze abzuziehen. Putin erklärte demnach, die ukrainische Regierung erlaube es Extremisten, Zivilisten einzuschüchtern - was die Führung in Kiew bestreitet. Nach Angaben des Kreml warb Putin für "mögliche Schritte der internationalen Gemeinschaft zur Stabilisierung der Lage" in der Ukraine.

In seinem Interview im russischen Fernsehen wies Lawrow erneut Kritik an der Eingliederung der Krim zurück, da der Westen ja auch den Führungswechsel in Kiew anerkenne. "Wenn sie das eine als legitim akzeptieren, dann müssen sie auch das zweite anerkennen", sagte er.

In der Ukraine selbst lichtet sich vor der für 25. Mai geplanten Präsidentschaftswahl das Feld der Bewerber. Boxchampion Vitali Klitschko erklärte am Samstag kurz vor Ablauf der Bewerbungsfrist seinen Verzicht. Stattdessen will er den Geschäftsmann und Milliardär Pjotr Poroschenko als Präsidentschaftskandidaten unterstützen.
Klitschko will sich um das Amt des Bürgermeisters von Kiew bewerben, der ebenfalls am 25. Mai gewählt wird.

Poroschenko hatte seine Kandidatur am Freitag bekanntgegeben. Laut einer Umfrage kann er derzeit mit 36 Prozent der Stimmen rechnen. Er tritt gegen die frühere Ministerpräsidentin Julia Timoschenko an, die in Umfragen hinter ihm liegt. Sie hatte ihre Kandidatur ebenfalls vergangene Woche erklärt.

Auf der Krim verurteilten etwa 250 Angehörige der Minderheit der Tataren am Samstag den Anschluss der Halbinsel an Russland und forderten internationale Organisationen auf, sie als autonome Gruppe anzuerkennen und ihnen "territoriale Autonomie" zu gewähren. Die zu den Turkvölkern gehörenden und mehrheitlich muslimischen Tataren stellen etwa zwölf Prozent der Bevölkerung auf der Krim.

(ap)
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