Russischer Angriffskrieg Gaslieferstopp nach Polen und Bulgarien - Die Nacht im Überblick

Kiew · Russland macht Ernst: Polen und Bulgarien bekommen kein russisches Gas mehr. Direkte Auswirkungen auf die deutsche Versorgungssicherheit haben diese Schritte wohl nicht. Ein Überblick zum Geschehen in der Nacht.

Ein Mann mit einem improvisierten Kessel vor einem beschädigten Wohnhaus in Mariupol.

Ein Mann mit einem improvisierten Kessel vor einem beschädigten Wohnhaus in Mariupol.

Foto: dpa/Alexei Alexandrov

Russland stellt seine Gaslieferungen nach Polen sowie Bulgarien ein und verschärft die Spannungen mit dem Westen damit weiter. Warschau erklärte, man sei auf den Gasstopp vorbereitet. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium hieß es, die Versorgung in Deutschland sei gewährleistet. Die betroffene Pipeline wird für Lieferungen nach Deutschland meist nicht benutzt.

Daten des Europäischen Netzes der Fernleitungsnetzbetreiber zeigen, dass der Gasdurchfluss durch die Jamal-Pipeline von Belarus nach Polen um 04.07 MESZ bei null Kilowattstunden lag. Zuvor hatte Polens Klimaministerin Anna Moskwa erklärt, ab Mittwochmorgen, 8.00 Uhr, werde kein russische Gas mehr durch die Jamal-Pipeline nach Polen fließen. Die Auswirkungen des Lieferstopps seien gering. Seit den ersten Tagen des Ukraine-Krieges habe Warschau erklärt, dass es für eine vollständige Unabhängigkeit von russischen Rohstoffen bereit sei.

Der Bevollmächtigte der polnischen Regierung für strategische Energieinfrastruktur, Piotr Naimski, versicherte, dass nach Deutschland weiter Gas über Nord Stream 1 fließe. Die Versorgungssicherheit in Deutschland sei derzeit weiter gewährleistet, sagte eine Sprecherin von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Dienstagabend nach der Nachricht aus Polen. „Wir beobachten die Lage genau.“

Auch Bulgarien habe Schritte zur alternativen Gasversorgung unternommen, teilte das Energieministerium in Sofia mit. Vorerst sei keine Begrenzung des Gasverbrauchs notwendig. Man habe seine Verpflichtungen „vollkommen erfüllt“ und alle Zahlungen für russisches Gas „rechtzeitig und strikt“ getätigt, die der laufende Vertrag erfordert, heißt es in der Mitteilung weiter.

Ein örtliches Onlineportal hatte berichtet, dass die Gaszahlung für Mai auf die bisher übliche Weise erfolgt sei, und nicht wie von Gazprom gefordert, über zwei neu eröffnete Konten bei der Gazprom-Bank - in Dollar und in Rubel. Auch Polen will Erdgas nicht wie von Russland gefordert über diese Kontenlösung in Rubel bezahlen. Ende März hatte Kremlchef Wladimir Putin gefordert, dass mit Wirkung zum 1. April westliche Staaten Konten bei der Gazprom-Bank eröffnen müssten, um russische Gaslieferungen zu bezahlen. Andernfalls würden diese für die „unfreundlichen“ Länder eingestellt.

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Das Schicksal der Kriegskinder aus der Ukraine

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Foto: obs/Matthias Ziegler

Nach den Weltkriegsdrohungen des russischen Außenministers Sergej Lawrow vom Montag warnt nun auch die von Russland angegriffene Ukraine den Rest der Welt. „Das ultimative Ziel der russischen Führung ist nicht nur die Eroberung der Ukraine, sondern die Zerschlagung des gesamten Zentrums und des Ostens Europas“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner allabendlichen Videobotschaft, die in der Nacht zu Mittwoch auf Telegram veröffentlicht wurde. Auch ein „globaler Schlag gegen die Demokratie“ gehöre zu dem Ziel. In der „freien Welt“ gebe es praktisch niemanden mehr, der nicht verstanden habe, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine nur der Anfang sei, sagte Selenskyj.

Nach Ansicht des britischen Premierministers Boris Johnson hat der russische Präsident Wladimir Putin den „politischen Spielraum“, seine Invasion in der Ukraine gesichtswahrend zu beenden - auch dank der Zensur in Russland. „Die Leute sagen, wir müssen Zugeständnisse machen, wir müssen uns Sorgen machen, was Putin tun könnte, weil er eine Niederlage riskiert“, sagte Johnson weiter. Dies sei allerdings nicht nötig, da Putins Machtposition wegen seiner Kontrolle über die Medien gesichert sei. Infolgedessen könnte Putin dem russischen Volk sagen, dass die in der Ukraine begonnene Operation „vollendet“ und „technisch ein Erfolg“ gewesen sei - auch wenn dies vielleicht nicht den Tatsachen entspricht.

Unterdessen bleibt die militärische Lage in der Ukraine schwer einzuschätzen. Unabhängige Berichte fehlen, und offizielle Mitteilungen der Kriegsparteien können von Eigeninteressen geräbt sein. Nach Angaben der Ukraine kam es erneut zu Toten und Verletzten nach russischen Angriffen in mehreren Regionen des Landes. Im Gebiet Donezk im Osten seien bei drei separaten Zwischenfällen drei Zivilisten getötet worden, teilte der Gouverneur der Region, Pawel Kyrylenko, auf Telegram mit. In der Großstadt Charkiw im Osten des Landes seien infolge von Beschuss drei weitere Menschen getötet und sieben verletzt worden, teilte der Gouverneur der Region, Oleh Synjehubow, auf Telegram mit.

Erstmals hat ein großes chinesisches Unternehmen seine Verkäufe nach Russland vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges einstellt. Gleichzeitig verkauft der Drohnenhersteller DJI Technology auch keine Drohnen mehr an die Ukraine. Man wolle verhindern, dass die Drohnen im Kampf eingesetzt werden, hieß es von Seiten des Unternehmens. Dies sei „keine Aussage über ein Land, sondern eine Aussage über unsere Prinzipien“.

Der ADAC ruft angesichts des Krieges in der Ukraine dazu auf, Sprit zu sparen. Jeder gesparte Liter Treibstoff könne dazu beitragen, die Abhängigkeit von russischen Ölimporten zu reduzieren, sagte ADAC-Präsident Christian Reinicke den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch). Damit könnten Autofahrer mittelbar auf die weitere Entwicklung des Krieges Einfluss nehmen.

Die Union forderte derweil die Bundesregierung angesichts der Belastungen auch durch den Ukraine-Krieg zu einem umfassenden Entlastungspaket für die Wirtschaft auf. In einem Bundestagsantrag spricht sich die CDU/CSU-Fraktion unter anderem für ein „Belastungsmoratorium“, steuerliche Entlastungen sowie flexiblere arbeitsrechtliche Regeln aus. Die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft müsse gestärkt werden. Der Antrag soll am Donnerstag im Bundestag beraten werden.

(peng/dpa/Reuters/AFP)
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