Russland-Affäre Warum Donald Trumps Rückhalt bröckelt

Washington · Bei den Republikanern herrscht Frust über die magere Regierungsbilanz des Präsidenten, und die Russland-Affäre lässt die Unterstützung weiter schwinden. Einen möglichen Nachfolger haben die Kritiker schon im Blick.

 Die Einschläge kommen näher: Donald Trump.

Die Einschläge kommen näher: Donald Trump.

Foto: dpa, EV wok hjb

Es war am 29. Juni 1973, als Howard Baker Geschichte schrieb. Der Senator, ranghöchster Republikaner im Untersuchungsausschuss, der einen Einbruch im demokratischen Hauptquartier im Watergate-Komplex aufzuklären hatte, wurde zu einer Schlüsselfigur bei dem Versuch, Licht ins Dunkel zu bringen. An jenem Tag sagte John Dean vor dem Komitee aus, ein Präsidentenberater, den Richard Nixon entlassen hatte und der nun enthüllte, dass jedes im Oval Office geführte Gespräch auf Tonband aufgezeichnet wurde. "Was wusste der Präsident, und wann wusste er es?", fragte Baker. Es war der Moment, in dem sich die eigene Partei von dem Republikaner im Weißen Haus abzuwenden begann.

Geschichte muss sich nicht wiederholen. Ob Donald Trump in einen Skandal vom Ausmaß der Watergate-Affäre verwickelt ist, wird sich noch zeigen. Doch an der Nachrichtenbörse Washingtons mehren sich die Szenarien, nach denen sich die "Grand Old Party" über kurz oder lang von Trump lossagen wird. Bislang haben sich derartige Drehbücher stets als wirklichkeitsfremd erwiesen, skizziert in der Politikblase einer Hauptstadt, in der oft nicht wahrgenommen wird, dass etliche Trump-Wähler ihrem Idol nach wie vor die Treue halten, einem Nichtpolitiker, in dem sie eine Art Rächer im Kampf gegen das Establishment sehen. Neue Nahrung haben die Gerüchte aber schon deshalb bekommen, weil Vizepräsident Mike Pence begonnen hat, diskret auf Distanz zu gehen.

Pence schlägt auffallend leise Töne an

Als durchsickerte, dass Trumps Sohn Donald Jr. bereit war, russische Hilfsangebote anzunehmen, um Munition gegen Hillary Clinton in die Hand zu bekommen, schlug Pence auffallend leise Töne an, statt sich schützend vor die Familie seines Vorgesetzten zu stellen. Er schenke Geschichten aus dem Wahlkampf nur wenig Beachtung, besonders dann, wenn sie aus einer Zeit stammten, in der er dem Team Trumps noch nicht angehört habe. Bereits im Mai hatte er, mit Blick auf die Wahl 2020, ein eigenes Aktionskomitee gegründet. Der Schritt, der im Allgemeinen einer Kandidatur vorausgeht, ist ungewöhnlich für die Nummer zwei der Administration, zumal in einer derart frühen Phase seiner Amtszeit.

Pence, schließen manche daraus, könnte in nicht allzu ferner Zukunft das Ruder von Trump übernehmen, so wie Gerald Ford einst Richard Nixon ablöste. Bei solchen Prognosen ist Vorsicht geboten, schließlich hat das Inseldenken Washingtons die Beobachter auch im vorigen Jahr dazu verleitet, Trump zu unterschätzen. Doch der Unmut auf den Parlamentsbänken der Republikaner ist nicht zu überhören.

Das liegt vor allem daran, dass Trump nicht liefert. Bis zur Sommerpause wollte die "Grand Old Party" einige zentrale Projekte durch den Kongress gebracht haben. Bisher ist allenfalls Stückwerk zu sehen. Die Abwicklung der Gesundheitsreform Barack Obamas ist vorerst gescheitert, nachdem der Widerstand in den eigenen Reihen des Senats zu groß geworden war. Der Plan einer Steuerreform ist vorerst aufgeschoben. Hatte Trump in der Nacht seines Wahlsieges versprochen, die vielerorts veraltete Infrastruktur zu modernisieren, so ist von einer Investitionsoffensive weit und breit nichts in Sicht. Die Regierung regiert nicht, jedenfalls nicht so, wie es sich die Regierungspartei erhofft, weil der Präsident nicht herauskommt aus dem Strudel der Russlandaffäre. "Es waren sechs verlorene Monate", sagt die Harvard-Historikerin Doris Kearns Goodwin über den Start des neuen Kabinetts: "In sechs Monaten ist so gut wie nichts geschehen."

"Ihr schreibt das alles auf"

Aufkommender Frust in den Reihen der Republikaner paart sich mit wachsender Ungeduld. Dass immer neue Episoden aus der Russland-Akte bekannt würden, habe einen verheerenden Effekt, polterte vor wenigen Tagen Trey Gowdy, ein aufstrebender Abgeordneter aus South Carolina. Es müsse Schluss sein mit dem kollektiven Gedächtnisschwund im Orbit Trumps. Jemand solle alle, die mit der Kampagne zu tun hatten, in einem Raum versammeln und Klartext reden. "Von der Zeit, in der ihr 'Doktor Schiwago' gesehen habt, bis zu dem Moment, in dem ihr mit einem Kerl namens Boris Wodka getrunken habt - ihr schreibt das alles auf, und dann übergeben wir es dem Sonderermittler."

Nur mangelt es nicht an Parteifreunden, die Trump noch immer für seinen Coup bewundern. Er hat ihnen neue Wählerschichten erschlossen, frustrierte Arbeiter in Rust-Belt-Staaten, die zuvor Obama den Zuschlag gegeben hatten. Trumps Basis zu vergraulen, wäre auch deshalb riskant. Das erklärt die Zurückhaltung eines Paul Ryan, des Sprechers des Repräsentantenhauses, der im konservativen Kosmos als der Mann der Zukunft gilt. Es erklärt, warum sich bislang kein Senator wirklich aus der Deckung wagt.

John McCain käme dafür infrage. Neulich saß er in einer Synagoge im Zentrum Washingtons, in der häufig politische Diskussionsabende stattfinden. Der Journalist Leon Wieseltier gab eine Steilvorlage nach der anderen, McCain aber wollte keine verwerten. "Wir hatten noch nie einen Präsidenten, der so wenig wusste", sagte Wieseltier und fragte, ob der Senator sich deshalb nicht auch Sorgen mache. Nun, er sorge sich um ein Amerika, das so tief gespalten sei wie lange nicht, antwortete der 80-Jährige. "Für mich sind Sie das Gewissen der Partei", stachelte ihn sein Gesprächspartner von Neuem an. Worauf McCain erwiderte, dass es gerade nicht so einfach sei mit der "Grand Old Party". Die durchlaufe noch immer eine Schockphase, nachdem der Politik-Amateur Trump 2016 all die Gesetzten an den Rand gedrängt habe. Im Übrigen gebe es mit einem neuen Präsidenten, der sich erst hineinfinden müsse ins Amt, fast immer Probleme. Es klang nicht so, als wollte McCain in der Rolle Howard Bakers zum Aufstand blasen. Noch nicht jedenfalls.

(RP)
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