Zwischenfall im Luftraum Russischer Kampfjet kollidiert über Schwarzem Meer mit US-Drohne

Update | Washington · Über dem Schwarzen Meer stoßen ein russischer Kampfjet und eine US-Militärdrohne zusammen. Die Amerikaner machen Russland dafür verantwortlich und erheben Vorwürfe gegen Moskau. Die Regierung dort weist jede Schuld von sich.

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Foto: dpa/Emilio Morenatti

Ein russischer Kampfjet hat nach US-Angaben über dem Schwarzen Meer eine US-Aufklärungsdrohne zum Absturz gebracht. Zwei russische Kampfflugzeuge vom Typ Su-27 hätten die Drohne vom Typ MQ-9 Reaper am Dienstagmorgen auf „gefährliche und unprofessionelle“ Weise über internationalen Gewässern abgefangen, erklärte das regionale Europa-Hauptquartier der US-Streitkräfte in Stuttgart (US Eucom). Dabei habe einer der Kampfjets den Propeller der Drohne berührt, die sei daraufhin abgestürzt. Das US-Außenministerium kündigte umgehend an, den russischen Botschafter wegen des Vorfalls einzubestellen. Moskau wies die Vorwürfe dagegen zurück und erklärte, die Drohne sei nach einem scharfen Ausweichmanöver abgestürzt.

Die Angaben Russlands wurde vom Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, umgehend zurückgewiesen. „Wie weisen das Dementi Russlands zurück“, sagte er dem Fernsehsender CNN. Zugleich gab er bekannt, dass die USA „Maßnahmen ergriffen“ haben, um das Fluggerät zu bergen. „Wir wollen natürlich nicht, dass es jemand anderes in die Hände bekommt als wir.“

Zuvor hatte Pentagon-Sprecher Pat Ryder gesagt, der russische Kampfjet sei im Grunde in die Drohne reingeflogen. Diese sei danach nicht mehr manövrierfähig gewesen, US-Kräfte hätten sie deshalb vom Himmel holen und ins Meer stürzen lassen müssen. Durch den Crash habe man die Drohne komplett verloren. Zur Frage nach einer möglichen Bergung des Fluggeräts äußerte sich der Sprecher zunächst nicht.

Ryder betonte aber, der Vorfall habe vermutlich auch an dem russischen Kampfjet einen Schaden verursacht. Dieser sei nach dem Vorfall wieder gelandet - wo, das sagte er nicht. Die beiden russischen Kampfjets hätten sich etwa 30 bis 40 Minuten in der Nähe der US-Drohne aufgehalten, bevor es zur Kollision gekommen sei.

Das US-Militär gab an, vor dem Zusammenstoß hätten die russischen Jets mehrfach Treibstoff über der US-Drohne abgelassen und seien vor dieser hergeflogen - in rücksichtsloser, umweltschädlicher und unprofessioneller Weise. Dies zeuge von einem „Mangel an Kompetenz“.

„Unser MQ-9-Fluggerät führte Routineoperationen im internationalen Luftraum aus, als es von einem russischen Flugzeug abgefangen und gerammt wurde“, erklärte US-Luftwaffengeneral James Hecker. „Das führte zu einem Absturz und kompletten Verlust der MQ-9.“ Wegen des „gefährlichen und unprofessionellen“ Vorgehens der Russen sei beinahe auch der russische Kampfjet abgestürzt.

Das russische Verteidigungsministerium wies jede Verantwortung im Zusammenhang mit dem Absturz zurück. Die Drohne sei weder beschossen noch auf andere Weise angegriffen worden, hieß es in einer von der Staatsagentur Tass verbreiteten Mitteilung. Jets der russischen Luftwaffe seien aufgestiegen, um einen unbekannten Eindringling über dem Schwarzen Meer zu identifizieren. Bei einem scharfen Ausweichmanöver habe die Drohne rapide an Höhe verloren und sei ins Meer gestürzt, lautete die Darstellung des russischen Militärs. „Die russischen Kampfflugzeuge haben keine Bordwaffen eingesetzt, sind nicht in Kontakt mit dem unbemannten Flugapparat geraten und kehrten sicher zu ihrem Heimatflughafen zurück.“

Auf die Frage, ob es Videoaufnahmen von dem Vorfall gebe und ob diese womöglich veröffentlicht werden könnten, verwies Pentagon-Sprecher Ryder darauf, dass dafür ein Freigabeprozess durchlaufen werden müsste, um die Geheimhaltung solcher Bilder aufzuheben. Das Ministerium werde die Öffentlichkeit hierzu auf dem Laufenden halten.

Die MQ-9-Reaper-Drohne wird in erster Linie zur Aufklärung genutzt, kann aber auch Präzisionsangriffe durchführen. Sie kann lange in der Luft bleiben und verfügt über Sensoren, die einen weiten Bereich abdecken. Die große Drohne wird aus der Ferne gesteuert. Das Pentagon wollte keine genaueren Angaben dazu machen, was genau die Mission der Drohne an diesem Tag gewesen sei und ob sie bewaffnet war oder nicht.

Abfangmanöver haben nicht unbedingt zum Ziel, ein Flugzeug abzudrängen oder zur Landung zu zwingen, sondern dienen oft dazu, um zum Beispiel durch Sichtkontakt festzustellen, ob von einem verdächtigen Flugzeug oder Fluggerät eine Gefahr ausgeht.

Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, betonte, Abfangmanöver dieser Art an sich seien nicht unüblich. Dieser Fall steche allerdings heraus durch das unsichere und unprofessionelle Vorgehen der russischen Seite. US-Präsident Joe Biden sei über den Vorfall informiert worden. Falls die Russen mit der Aktion die USA davon abhalten wollten, im internationalen Luftraum zu fliegen und zu operieren, dann werde diese Botschaft keinen Erfolg haben, betonte er. „Wir werden weiterhin im internationalen Luftraum über internationalen Gewässern fliegen und operieren. Das Schwarze Meer gehört nicht einer einzelnen Nation.“

Am Schwarzen Meer liegt unter anderem die Ukraine, gegen die Russland Krieg führt, und die von Russland annektierte Halbinsel Krim. Die USA fliegen schon seit langer Zeit Aufklärungsflüge über dem Schwarzen Meer und beobachten dabei russische Marineeinheiten.

Das US-Außenministerium erklärte mit Blick auf die Einbestellung des russischen Botschafters, man werde ihn voraussichtlich noch im Laufe des Dienstags über die „starken Einwände gegen das eindeutig unsichere und unprofessionelle Abfangen“ der Drohne unterrichten. Die USA hätten auch ihre Verbündeten und Partner auf höchster Ebene informiert, als sie von den Details des Vorfalls erfahren hätten.

Das US-Militär kritisierte, der Vorfall reihe sich ein in eine Serie von gefährlichen Aktionen russischer Piloten mit Flugzeugen der USA und der Alliierten im internationalen Luftraum, auch über dem Schwarzen Meer. Diese „aggressiven Handlungen“ der russischen Seite seien gefährlich und könnten zu „Fehleinschätzungen und unbeabsichtigten Eskalationen“ führen.

Angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist die Lage besonders angespannt und die Angst vor einer möglichen direkten militärischen Konfrontation zwischen den USA und Russland groß.

  Eine amerikanische Drohne vom Typ MQ-9 Reaper beim Landeanflug nach einer Flugtrainingsmission. (Archivfoto)

Eine amerikanische Drohne vom Typ MQ-9 Reaper beim Landeanflug nach einer Flugtrainingsmission. (Archivfoto)

Foto: dpa

Nato-Diplomaten in Brüssel sagten, sie gingen nach dem Vorfall nicht von einer Eskalation aus. Ein westlicher Militärvertreter sagte der Nachrichtenagentur AFP, die diplomatischen Kanäle zwischen Russland und den USA dürften aktiviert werden. „Ich gehe davon aus, dass diplomatische Kanäle das abmildern werden.“

(peng/albu/dpa/afp)
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