Umstrittener Hilfskonvoi in der Ukraine Russische Lastwagen erreichen Lugansk

Kiew/Berlin · Russland schafft im Streit um seinen Hilfskonvoi für die Ostukraine Fakten: Die 280 Lastwagen haben am Freitag ohne Erlaubnis aus Kiew und ohne das Rote Kreuz die Grenze passiert. Am Nachmittag sind die ersten Fahrzeuge in Lugasnk eingetroffen.

 Der Hilfskonvois passiert die Grenze.

Der Hilfskonvois passiert die Grenze.

Foto: afp, YK/jk

"Russland hat beschlossen zu handeln", erklärte das Außenministerium in Moskau. Nach wochenlangem Streit wollte Moskau nicht länger auf das Einverständnis des Roten Kreuzes und der Regierung in Kiew warten.

"Alle 280 Lastwagen sind auf die ukrainische Seite gefahren", teilte die russische Zollverwaltung mit. "Das ist eine direkte Invasion", sagte der ukrainische Geheimdienstchef Valentin Naliwajtschenko.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko warf Moskau einen Bruch des Völkerrechts vor. Außenminister Pawel Klimkin kritisierte den "aggressiven Charakter" des russischen Vorgehens. Die EU-Kommission warf Moskau eine "klare Verletzung der ukrainischen Grenze" vor.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte, die Konvoi-Fahrt ohne Zustimmung Kiews sei ein "eklatanter Bruch von Russlands internationalen Zusagen" und verletze erneut die ukrainische Souveränität. Die Allianz beobachte zudem einen "alarmierenden Aufbau" russischer Boden- und Lufttruppen nahe der Ukraine. "Anstatt die Lage zu deeskalieren, fährt Russland fort, sie zu eskalieren."

Kremlchef Wladimir Putin wies die Kritik am Konvoi bei einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zurück. Die Führung in Kiew habe die Erlaubnis zum Grenzübertritt immer wieder verzögert, so dass Moskau schließlich eine Entscheidung treffen musste, sagte der Präsident. Eine weitere Verzögerung wäre unzulässig gewesen, hieß es am Freitag in einer Kreml-Mitteilung. Putin habe Merkel seine "ernste Besorgnis" darüber mitgeteilt, dass die prowestliche Regierung in Kiew die Separatistenhochburgen Lugansk und Donezk immer stärker unter Beschuss nehme und dabei weitere zivile Opfer in Kauf nehme.

Die ersten Lastwagen trafen nach Angaben der prorussischen Separatisten am Nachmittag in Lugansk ein. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AP bestätigte, den Konvoi in Lugansk gesehen zu haben. Die militanten Gruppen richteten Medien zufolge mehrere Stellen für die Verteilung ein. Die Großstadt mit mehr als 200 000 Einwohnern ist nach Darstellung der örtlichen Behörden seit fast drei Wochen ohne Strom und Wasser.

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Konvoi stand tagelang an der Grenze

Die Kolonne mit rund 2000 Tonnen Lebensmitteln war am 12. August in Moskau losgefahren und hatte danach tagelang an der Grenze gestanden. Die Ukraine hatte anfangs der Verdacht geäußert, in den Lastwagen könnten auch Waffen für die Separatisten versteckt sein.

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Russland hatte ursprünglich eingewilligt, die Leitung des Konvois dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) zu übergeben. Das IKRK wollte aber nicht ohne Sicherheitsgarantien der Ukraine losfahren. Die Führung in Kiew verweigerte Garantien mit Hinweis darauf, dass das Gebiet zwischen der Grenze und Lugansk von Aufständischen kontrolliert werde.

Kanzlerin Merkel wird an diesem Samstag in Kiew erwartet. Sie will damit ein Zeichen der Unterstützung für die von Russland bedrängte Ukraine setzen. Sie reist erstmals seit Beginn der Krise Ende 2013 in die Ukraine. Merkel will mit Präsident Poroschenko Wege zu einem Waffenstillstand im Osten des Landes erörtern. Zudem ist ein Gedankenaustausch mit den Bürgermeistern von Kiew, Donezk und Lwiw (Lemberg) sowie einem Vertreter der Krim-Tataren geplant. Im Frühjahr war die Schwarzmeerhalbinsel Krim von Russland annektiert worden.

Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert erwägt die Bundesregierung weitere Hilfen für das Land. Es werde geprüft, ob und in welchem Maße Deutschland Beiträge zum Wiederaufbau leisten könne, sagte Seibert am Freitag in Berlin. Außenminister Klimkin hatte sich zuvor im ZDF in Anspielung auf das US-Programm zum Wiederaufbau Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg (Marshall-Plan) für einen "Merkel-Plan" und Hilfen der EU ausgesprochen.

Knapp zwei Drittel der Deutschen befürchten laut einer Umfrage, dass es zwischen Russland und der Ukraine zu einem Krieg kommt. Das nehmen 60 Prozent der Befragten an, wie das am Freitag veröffentlichte ZDF-"Politbarometer" ergab. 64 Prozent glauben, Russland werde versuchen, nach der Krim weitere ukrainische Gebiete anzugliedern.
Auch die Besorgnis über die Politik von Präsident Putin wächst: Während im März 53 Prozent der Befragten angaben, sich darum sehr große oder große Sorgen zu machen, sind es im August bereits 69 Prozent.

(DEU)
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