Die Politikerin und ihr Kampf für Menschenrechte Roth: "Erdogan hat alle Legitimität verloren"

Istanbul · Das Foto macht am Wochenende via Twitter die Runde: Claudia Roth mit angeschwollenem Gesicht – Folgen einer Tränengasattacke in Istanbul. Die Grünen-Politikerin hatte sich vor Ort selbst ein Bild von der Lage machen wollen und geriet mitten hinein in den Konflikt zwischen Polizei und Demonstranten. Nun kämpft sie für die Rechte der Protestierenden. Wieder einmal. Denn schon mehrfach in ihrer Karriere hat sich Roth für die Menschenrechte starkgemacht.

 Claudia Roth nach der Tränengasattacke.

Claudia Roth nach der Tränengasattacke.

Foto: twitter.com/BAKIRKOY_CHP

Das Foto macht am Wochenende via Twitter die Runde: Claudia Roth mit angeschwollenem Gesicht — Folgen einer Tränengasattacke in Istanbul. Die Grünen-Politikerin hatte sich vor Ort selbst ein Bild von der Lage machen wollen und geriet mitten hinein in den Konflikt zwischen Polizei und Demonstranten. Nun kämpft sie für die Rechte der Protestierenden. Wieder einmal. Denn schon mehrfach in ihrer Karriere hat sich Roth für die Menschenrechte starkgemacht.

Für Claudia Roth steht eines fest: Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan "führt einen brutalen Krieg gegen eine friedliche Gesellschaft", wie sie im "RTL Aktuell"-Interview sagt. "Ich glaube, dass dieser Mann alle Legitimität verloren hat, ein Präsident oder ein Ministerpräsident aller Menschen in der Türkei zu sein." Entsprechend fordert sie nun auch, dass die Bundesregierung mehr Druck auf die türkische Regierung ausüben muss.

Roth stellt sich demonstrativ hinter die Demonstranten in Istanbul und allen türkischen Großstädten. Sie hat gesehen und gefühlt, was die Protestierenden im Gezi-Park und auf dem Taksim-Platz durchmachen müssen. "Ich habe eine Vorstellung davon bekommen, was Krieg sein kann", sagt sie im Interview mit dem TV-Sender Phoenix. Und sie fügt hinzu: "Einen so gewalttätigen Angriff habe ich noch nie erlebt."

"Einer fragte mich noch, ob ich eine Gasmaske will"

Die Grünen-Politikerin setzt sich seit Jahren für die Menschenrechte in aller Welt ein, besucht immer wieder Regionen, in denen diese keine Selbstverständlichkeit sind. Erst vor wenigen Tagen war ihr die Einreise nach Saudi-Arabien verboten worden, was Roth als "Unverschämtheit" wertete. Und vor rund einem Jahr war sie nach Libyen gereist, um sich dort ein Bild über die Lage zu machen. Als bewaffnete Milizen den Airport von Tripolis besetzten, saß auch die Politikerin dort fest.

Nun also die Türkei. Im Interview mit der "Zeit" erzählt Roth, dass sie sich in Istanbul für einige Tage über die aktuelle Situation informieren wollte. Sie berichtet von einer "friedlichen fröhlichen Abendstimmung" auf dem Taksim-Platz, im Gezi-Park sei es ein bisschen "wie auf einem Festival" gewesen. Alle hätten gedacht, der Platz und nicht der Park werde geräumt.

"Einer fragte mich noch, ob ich eine Gasmaske will", sagt sie in dem Interview. "'Na, das ist aber auch ein bisschen übertrieben', habe ich gedacht. 'Ich habe ein Taschentuch, das reicht doch.' Was für eine Fehleinschätzung." Ohne Vorwarnung seien von einer Sekunde auf die andere Gasschwaden an drei verschiedenen Stellen aufgestiegen. Und Roth gibt sich in mehreren Interviews davon überzeugt, dass dem Wasser der Wasserwerfer Chemikalien beigemischt worden seien.

Auch kritisiert sie die Regierung dafür, dass sie auch in die Hotels, die Rückzugsorte für Demonstranten und Verletzte gewesen seien, eingedrungen seien. "Es gibt im Völkerrecht humanitäre Regeln, die besagen, dass dort, wo Verletzte behandelt werden, nicht angegriffen werden darf", erklärt sie im "Zeit"-Interview. Roth weiß, wovon sie spricht, gilt sie doch als ausgewiesene Menschenrechtsexpertin.

Jahrelanger Einsatz für die Menschenrechte

In ihrer politischen Laufbahn hatte sie immer wieder Verletzungen von Menschenrechten angeprangert, etwa im Iran. Umso mehr musste sie sich erklären, als sie im Februar bei der Münchner Sicherheitskonferenz beim Hand-Abklatschen mit dem iranischen Botschafter abgelichtet wurde. Ihr Einsatz für die Menschenrechte ist dennoch unbestritten, zwischenzeitlich war sie auch Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung.

Auf ihren zahlreichen Reisen hat sie Flüchtlingslager besucht, mit Oppositionellen gesprochen, und manchmal — wie etwa im Fall Saudi-Arabien oder auch Kuba — durfte sie erst gar nicht einreisen. In die Türkei aber kam sie und kämpft nach ihren Erlebnissen nun umso mehr für die Demokratiebewegung der Menschen dort. Die Türkei, das betont sie in mehreren Interviews, sei nicht die Regierung Erdogan, sondern das seien die Menschen auf den Straßen und im Park.

"Es wäre absolut falsch zu sagen, die Türkei gehöre nicht zu Europa", sagt sie daher auch im "Focus"-Interview. Auch sollten die Türen hinsichtlich der Beitrittsverhandlungen zur EU jetzt nicht verschlossen werden. Sie selbst übrigens, so sagt sie in dem Interview, hat keine ernsthaften Verletzungen davon getragen. Und sie betont auch, dass sie wie Tausende andere Opfer der Tränengasattacke geworden sei. "Man kann nichts mehr sehen, die Augen tränen, man bekommt Hustenanfälle und kann nicht mehr atmen", sagt sie über den Moment nach der Attacke.

(das)
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