Affäre um Hilfsgelder Roter Halbmond im Zwielicht

Ankara · Die Bundesregierung will die Arbeit der türkischen Hilfsorganisation mit viel Geld unterstützen. Doch die ist in dubiose Spenden-Deals verwickelt.

Mitarbeiter des türkischen Roten Halbmonds verteilen Hilfsgüter im türkisch-syrischen Grenzgebiet.

Mitarbeiter des türkischen Roten Halbmonds verteilen Hilfsgüter im türkisch-syrischen Grenzgebiet.

Foto: picture alliance / AA/dpa/Omer Alven

25 Millionen Euro will die Bundesregierung für Flüchtlingsprojekte an den Roten Halbmond überweisen, das türkische Pendent zum Roten Kreuz. Aber ist das Geld dort gut angelegt? Die Organisation ist wegen undurchsichtiger Spendenaffären ins Gerede gekommen. Profitiert haben offenbar Stiftungen mit engen Verbindungen zu Staatschef Recep Tayyip Erdogan.

Wenn in der Türkei die Erde bebt oder Lawinen niedergehen, wie unlängst im ostanatolischen Van, sind die Helfer des Türk Kizilay, des türkischen Roten Halbmonds, schnell vor Ort. Auch jenseits der Grenzen hilft die Organisation: Im türkisch besetzten Teil Nordsyriens plant der Rote Halbmond den Bau von 25.000 Fertighäusern für syrische Binnenflüchtlinge. Ein nobles Projekt, dachte offenbar Bundeskanzlerin Angela Merkel und versprach dem türkischen Präsidenten Erdogan bei einem Treffen in Istanbul Ende Januar Finanzhilfen. Kurz darauf bestätigte ein Regierungssprecher in Berlin, die Bundesregierung werde dem Roten Halbmond für das Vorhaben 25 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Die Finanzhilfe ist nicht unumstritten. Sie könnte, weil sie an eine türkische Organisation geht, als indirekte deutsche Unterstützung der völkerrechtswidrigen türkischen Besetzung Nordsyriens interpretiert werden. Fragwürdig ist die Millionenüberweisung aber auch, weil nicht sicher ist, ob das Geld dem beabsichtigten Zweck zugeführt wird, oder möglicherweise in dunkle Kanäle fließt.

Es wäre nicht das erste Mal. Die regierungskritische türkische Zeitung „Birgün“ veröffentlichte kürzlich brisante Dokumente. Dabei geht es um umgerechnet 7,3 Millionen Euro, die der Gasversorger Baskentgaz an den Roten Halbmond spendete. Das Unternehmen wird von der Torunlar-Holding kontrolliert, die sich im Besitz des Erdogan-Schulfreundes Aziz Torun befindet. Aus den Dokumenten geht hervor, dass der Rote Halbmond das Geld an die regierungsnahe salafistische Ensar-Stiftung weiterleitete. Ensar wiederum transferierte nach eigenen Angaben das Geld weiter an die in den USA angesiedelte Turken-Stiftung, in deren Vorstand die Erdogan-Tochter Esra Albayrak sitzt. Turken baue mit dem Geld ein 21-stöckiges Gebäude in Manhattan, das als Wohnheim für türkische Studenten dienen solle, so die Darstellung von Baskentgaz und Ensar.

Der Rote Halbmond und Baskentgaz bestätigen den Vorgang inzwischen. Das Geld sei als „zweckgebundene Spende“ für die Weiterleitung an die Ensar-Stiftung bestimmt gewesen, heißt es. Dass der Geldtransfer über den Roten Halbmond lief, dürfte steuerliche Gründe haben: Baskentgaz konnte die Spende voll absetzen. Eine direkte Zahlung an die Ensar-Stiftung wäre steuerlich nur zu fünf Prozent abzugsfähig gewesen. Der Rote Halbmond erhielt von Baskentgaz für die Transaktion eine Kommission von umgerechnet 69.000 Euro. Das war offenbar kein Einzelfall. Wie das Nachrichtenportal „Diken“ recherchierte, erhielt der Rote Halbmond in den vergangenen fünf Jahren zahlreiche „zweckgebundene“ Spenden, die an Erdogan-nahe Stiftungen flossen. Nach einem Bericht von „Birgün“ ist das Spendenaufkommen des Roten Halbmonds von 2015 bis 2019 um das 32-fache gestiegen. Oppositionspolitiker meinen, die Hilfsorganisation fungiere inzwischen als riesige Steuervermeidungs-Drehscheibe für regierungsnahe Unternehmen.

Wo die gut sieben Millionen Euro des Spenders Baskentgaz wirklich flossen, ist unterdessen immer noch unklar. Beim angeblichen Empfänger, der Stiftung Turken gibt es jedenfalls nach Recherchen der Oppositionspartei CHP keinen entsprechenden Zahlungseingang. Auch der US-Finanzbehörde IRA, der eine solche Spende eigentlich hätte gemeldet werden müssen, ist von der Transaktion laut CHP nichts bekannt. „Wo ist das Geld geblieben?“, fragt jetzt die CHP.

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