Nato-Gipfel in Chicago Risse im Militärbündnis

Berlin/Chicago · Das Wahlkampfmanöver des französischen Präsidenten Hollande, Abzug der Kampftruppen aus Afghanistan entgegen der Absprachen schon 2012, hat das größte Nato-Treffen aller Zeiten in Chicago überlagert.

 Frankreichs Präsident Francois Hollande (rechts) erklärt Afghanistans Präsident Hamid Karsai, dass sein Land in Kürze seine Soldaten aus Afghanistan abziehen werde.

Frankreichs Präsident Francois Hollande (rechts) erklärt Afghanistans Präsident Hamid Karsai, dass sein Land in Kürze seine Soldaten aus Afghanistan abziehen werde.

Foto: afp, OLIVIER DOULIERY

Zwar sind die 3100 französischen Soldaten vorrangig im relativ friedlichen Westen des Landes eingesetzt. Doch das psychologische Moment, das Nato-Gründungsmitglied Frankreich verlässt frühzeitig den ungeliebten Krieg, dürfte Nachahmer-Diskussionen in anderen Ländern auslösen. Kanzlerin Merkel, die zu Hause ein Jahr vor der Bundestagswahl einer kriegsmüden Bevölkerung gegenübersteht, soll "not amused" gewesen sein.

Der Kompromiss ist mehr als dürftig. Frankreich will nun an anderer Stelle innerhalb des Isaf-Mandats aushelfen. Im Klartext: Brunnen bauen statt Taliban jagen. Der Start des deutsch-französischen Duos "Merkollande" kann nach den beiden Gipfeltagen und der heftigen Debatte über Wachstumsimpulse in Europa beim vorherigen G-8-Gipfel nur als rumpelig bezeichnet werden. Bis zu den französischen Parlamentswahlen am 17. Juni dürfte sich keine Annäherung ergeben.

Durch die Afghanistan-Debatte wurde zudem die überfällige Neuordnung des Verteidigungsbündnisses in Zeiten knapper öffentlicher Kassen in den Hintergrund gedrängt. Die Struktur der Militärallianz hängt noch immer in der Zeit des Kalten Krieges fest. Teuer und träge ist die Ausstattung der Armeen. Oder anders: Es gibt zu viele Panzer, aber zu wenig Aufklärungstechnik, Logistikkapazitäten und flexible Eingreiftruppen.

Die Nato braucht deshalb mehr Arbeitsteilung, verstärkte Kooperation und solide finanzielle Rahmenbedingungen. Die Lasten tragen weiterhin vor allem die USA mit einem Betriebskostenanteil von 22 Prozent und Deutschland mit 15 Prozent. Großbritannien kürzt seinen Verteidigungsetat gerade um zehn Prozent, Frankreich hat ähnliches im Sinn. Das Fernziel einer schlagkräftigen, einheitlichen europäischen Armee im Bündnis bleibt ein Fernziel.

(RP/felt/csi)
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