Gastbeitrag vom US-Botschafter in Deutschland Deutschland muss Unterstützung für Nord Stream 2 beenden

Berlin · Putins aggressives Verhalten unterstreicht die Gefahr, ihm mit der Pipeline Nord Stream 2 mehr Kontrolle über die Energieversorgung Europas zu geben. Aber auch die Sicherheit der Ukraine steht auf dem Spiel.

 Das Verlegeschiff "Audacia" des Offshore-Dienstleisters Allseas verlegt in der Ostsee vor der Insel Rügen Rohre für die Gaspipeline Nord Stream 2.

Das Verlegeschiff "Audacia" des Offshore-Dienstleisters Allseas verlegt in der Ostsee vor der Insel Rügen Rohre für die Gaspipeline Nord Stream 2.

Foto: dpa/Bernd Wüstneck

Es ist an der Zeit, dass Deutschland seine Unterstützung für Nord Stream 2 einstellt und es als das erkennt, was es ist: ein dreister Versuch der russischen Regierung, den Würgegriff zu verstärken, in dem es die Energieversorgung der europäischen Verbündeten und Partner hält, während sie gleichzeitig ihre Kampagne zur Untergrabung der Souveränität und der territorialen Integrität der Ukraine fortsetzt.

Tatsache ist: Die unverfrorenen Übergriffe Russlands in der jüngsten Zeit zeigen wieder einmal, wie wachsam die Welt den ständigen feindseligen Aktivitäten Wladimir Putins gegenüber sein muss. Die Vereinigten Staaten und Deutschland haben reagiert, indem sie die jüngsten russischen Übergriffe im Asowschen Meer scharf verurteilten. Wir haben die Blockade der Straße von Kertsch durch Russland als klaren Verstoß gegen das Völkerrecht bezeichnet. Wir stimmen mit Deutschen aus dem gesamten politischen Spektrum überein, dass Moskau die Verantwortung für die jüngste Eskalation trägt. Und während wir das Engagement Deutschlands für Solidarität und Einheit in Europa zu schätzen wissen, sollten dennoch Maßnahmen ergriffen werden, die Russland zeigen, dass sein aggressives Verhalten Konsequenzen hat.

Angesichts dessen fordern wir Berlin auf, sich den Ländern anzuschließen, die Nord Stream 2 als das bezeichnen, was es ist – ein Affront gegen die energie- und sicherheitspolitischen Ziele Europas.

Das Vorgehen Russlands unterstreicht die Gefahr, die es birgt, Moskau noch mehr Macht über die Energieversorgung Deutschlands einzuräumen. 2017 importierten die Deutschen bereits über 50 Prozent ihres Erdgases aus Russland. Wenn Gazproms Nord-Stream-2-Pipeline unter Umgehung unserer osteuropäischen Verbündeten gebaut wird, wird dies die Abhängigkeit Deutschlands von Russland noch verstärken. 

 Seit Mai 2018 ist Richard Grenell (52) US-Botschafter in Deutschland.

Seit Mai 2018 ist Richard Grenell (52) US-Botschafter in Deutschland.

Foto: imago

Durch die Pipeline fließt nicht nur russisches Gas, sondern auch russischer Einfluss. Und was würde in die andere Richtung fließen? Milliarden von Euro an Steuergeldern, die die russische Regierung weiter für ihre destabilisierende Außenpolitik und zur Unterstützung ihrer zunehmend aggressiven Haltung an der Ostflanke der Nato einsetzen wird. Wir hoffen, dass Deutschland die Entwicklung von Versorgungsoptionen in Betracht ziehen wird, die einen wettbewerbsorientierteren Erdgasmarkt begünstigen, statt die Marktbeherrschung weiter Herrn Putin zu überlassen.

Europa und die Vereinigten Staaten sollten Moskau eine deutliche, gemeinsame Botschaft senden, indem sie Nord Stream 2 endlich eine Absage erteilen. Sollte die Pipeline gebaut werden, werden Nord Stream 2 und ein zweiter Strang von Turk Stream die Lieferung von russischem Gas unter Umgehung der Ukraine ermöglichen und damit letztendlich deren Sicherheit untergraben. Und ganz eindeutig ist es das, was Wladimir Putin will. Nord Stream 2 würde die Tür für zunehmende russische Aggression gegenüber Kiew öffnen, da Moskau sich dann nicht mehr darum sorgen müsste, wie sich seine Aktivitäten auf die Gasverkäufe an Westeuropa auswirken.

Die Ukraine von den Gaslieferungen abzuschneiden würde die ukrainische Regierung um Milliarden von Dollar an unverzichtbaren Durchleitungsgebühren bringen, eine Summe, die in etwa dem Verteidigungshaushalt Kiews entspricht. Wir begrüßen das Engagement der Bundeskanzlerin dafür, dass weiterhin Gas durch die Ukraine geliefert wird. Bedauerlicherweise hat Russland jedoch immer wieder bewiesen, dass man leider nicht auf seine Zusagen vertrauen kann, Versprechen oder vertragliche Verpflichtungen einzuhalten.

Die Ukraine hat angesichts der stetigen russischen Übergriffe keinen besseren Freund als die Vereinigten Staaten. Auch Europa sollte Moskau diese klare Botschaft senden.

Die Vereinigten Staaten werden sich weiterhin nachdrücklich für das europäische Ziel einsetzen, seine Energiesicherheit durch Diversifizierung zu schützen, so wie sie es seit Jahrzehnten tun. Die jüngsten russischen Provokationen zeigen, dass diese wichtigen Bestrebungen weiterhin relevant sind. Viele deutsche Politiker haben diese Realität bereits erkannt. Führende Bundestagsabgeordnete der CDU und der Grünen haben dazu aufgerufen, die Einfuhr russischen Gases nach Deutschland zu beschränken. Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Angesichts der jüngsten Übergriffe Russlands in der Straße von Kertsch sollte Deutschland außerdem das Ende des Nord-Stream-2-Projekts fordern.

Deutschland hat sich unermüdlich dafür eingesetzt, die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine auf diplomatischen Weg abzubauen. Es ist jetzt in der einzigartigen Position, seinen politischen und wirtschaftlichen Einfluss geltend zu machen, um Russland und Putin für ihr Handeln zur Verantwortung zu ziehen. Durch entschlossenes Handeln in Bezug auf Nord Stream 2 kann Deutschland Kiew und ganz Europa zudem seine Solidarität beweisen, was die Sicherheitsbelange der Ukraine angeht, und schlussendlich zeigen, dass sich Putin mit seiner fortwährenden Aggression nicht durchsetzen wird.

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