Libyen-Konferenz in Paris Rennen um das libysche Öl

Paris (RP). Alle wollen Libyen helfen: 60 Staaten sind in Paris zusammengekommen, um die Nach-Gaddafi-Ära zu organisieren. Im Auge haben sie auch die Erdölreserven. Heute beraten die EU-Außenminister weiter. Unterdessen kündigte Machthaber Muammar al Gaddafi weiteren Widerstand an.

Clinton herzt Sarkozy beim Libyen-Gipfel
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Offiziell ging es bei der Konferenz der "Freunde Libyens" um Nothilfe und die möglichst geordnete Neuorganisation des Wüstenstaates. Nach 42 Jahren Diktatur und sechs Monaten Bürgerkrieg droht Libyen das Chaos, vor allem weil Machthaber Muammar al Gaddafi weiteren erbitterten Widerstand ankündigte. Im syrischen Fernsehen sagte Gaddafi, er und seine Getreuen würden sich keinesfalls ergeben.

Unterdessen präsentierten die beiden Hauptvertreter des libyschen Übergangsrates CNT, Mahmud Dschibril und Mustafa Abdeldschalil, auf der Konferenz in Paris eine "Roadmap" von humanitären Eingriffen bis hin zur Bildung einer Demokratie.

Ihrem Wunsch nach Freigabe der weltweit gesperrten Gaddafi-Gelder sind einige Staaten bereits nachgekommen, mehrere Milliarden Euro wurden nach Tripolis überwiesen. Die EU kündigte zudem eine teilweise Aufhebung ihrer Sanktionen gegen 28 libysche Unternehmen und Behörden an. So viel Hilfsbereitschaft macht stutzig, zumal einzelne Libyen-Experten warnen, bisherige Gaddafi-Gefolgsleute könnten Gelder in die falschen Kanäle leiten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wies darauf hin, dass Libyen dank seiner Erdölschätze "keine Geldprobleme" habe. Dringender sei die Notversorgung der Bevölkerung. Ähnlich äußerte sich Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel. Er lehnte Finanzhilfen für das nordafrikanische Land ab.

"Libyen ist kein klassisches Entwicklungsland", sagte der FDP-Politiker. Er habe für die unmittelbare Versorgung der Bevölkerung bereits im Juni sieben Millionen Euro Nothilfe zugesagt. "Darüber hinaus wird es keine bilaterale Entwicklungszusammenarbeit geben", betonte der Minister. Libyen sei ein reiches Land, das sich technische Unterstützung einkaufen könne — und zwar "sehr gerne bei uns", betonte Niebel.

Zentral für die Stabilisierung der Lage und der Lebenssituation der Bevölkerung sei es, jetzt auch die deutsche Wirtschaft für ein langfristiges Engagement in Libyen zu gewinnen.

Interesse an der Stabilität des Wüstenstaates dürften vor allem ausländische Ölkonzerne haben. Immerhin verfügte Libyen vor dem Krieg über die viertgrößte Ölproduktion Afrikas. Jetzt werden die Förderverträge neu verteilt. Frankreich und Großbritannien, die den libyschen Übergangsrat von Beginn an unterstützten, hoffen nun auf einen besseren Zugang zum Erdöl.

Länder wie Italien oder die USA, die sich im Nato-Einsatz zurückgehalten hatten, aber auch das vollkommen abseits stehende Deutschland müssen um Marktanteile bangen. Wohl auch deshalb waren sie auf der Pariser Konferenz prominent vertreten — Rom und Berlin durch ihre Regierungschefs, Washington durch Außenministerin Hillary Clinton.

Die Reihe von 60 Staatsgästen, die Sarkozy im Elysée-Palast begrüßte, war doppelt so lang wie die Teilnehmerliste der Nato-Mission in Libyen. Auch Russland und China, klare Gegner des Vorgehens gegen den libyschen Diktator, schickten Delegationen. Moskau, bisher einer der wichtigsten Handelspartner Gaddafis, hatte den Übergangsrat am Mittwoch anerkannt — aus Furcht, von der Verteilung der größten Erdölreserven Afrikas ausgeschlossen zu werden.

Die Pariser Zeitung "Libération" hatte zuvor einen geheimen Brief vom April publiziert, in dem der libysche Übergangsrat erklärte, Frankreich für seine Unterstützung 35 Prozent des geförderten Erdöls zuzusprechen. Nicolas Sarkozy, der die Rebellen seit März an vorderster Front unterstützt hatte, erhielte also für sein Land den größten Anteil des libyschen Öls.

Schon fürchten andere, beim wertvollen Rohstoff das Nachsehen zu haben. So erklärte der italienische Außenminister Franco Frattini, es gebe "kein Rennen darum, wer als erster in Libyen ankommt". Ein verzweifeltes Dementi.

(RP)
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