Regierungskrise in Österreich Opposition kritisiert Kurz für Wechsel ins Parlament

Wien · Sebastian Kurz überlässt sein Amt Außenminister Alexander Schallenberg. Er könnte noch am Montag vereidigt werden. Der bisherige Kanzler wechselt ins Parlament - aus Sicht der Opposition ein Schachzug, aber kein Systemwechsel.

 Sebastian Kurz gab bekannt, dass er als Bundeskanzler von Österreich zurücktreten wird, nachdem er wegen schwerer Korruptionsvorwürfe als Verdächtiger genannt worden ist.

Sebastian Kurz gab bekannt, dass er als Bundeskanzler von Österreich zurücktreten wird, nachdem er wegen schwerer Korruptionsvorwürfe als Verdächtiger genannt worden ist.

Foto: dpa/Georg Hochmuth

Mit dem Rücktritt von Sebastian Kurz (ÖVP) vom Amt des Bundeskanzlers ist die Regierungskrise in Österreich beendet. Die Grünen als Koalitionspartner der konservativen ÖVP erklärten, das Bündnis nun fortsetzen zu wollen. Sie hatten dem von Korruptionsvorwürfen schwer belasteten Kanzler mit einem Misstrauensvotum gedroht. Nachfolger von Kurz wird Außenminister Alexander Schallenberg.

Der 52-Jährige Schallenberg ist seit Jahren in Spitzenfunktionen für die Außenpolitik Österreichs mitverantwortlich. Der mehrsprachige, international erfahrene Diplomat vertritt in Fragen der Migration einen genauso harten Kurs wie Kurz. Für Sonntag haben Schallenberg und Kogler ein Vieraugengespräch vereinbart.

Alexander Schallenberg ist am Sonntagvormittag zu einem Gespräch mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) zusammengekommen. Nach dem Treffen mit Kogler sollte der bisherige Außenminister dann von Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfangen werden, wie die Nachrichtenagentur APA berichtete. Anschließende Stellungnahmen des designierten Regierungschefs seien nicht vorgesehen.

Kurz selbst wechselt vom Kanzleramt ins Parlament auf den Sitz des Fraktionschefs der ÖVP. Außerdem bleibt er ÖVP-Vorsitzender. Die Opposition ist mit dieser Rochade nicht zufrieden.

Der Wechsel von Sebastian Kurz vom österreichischen Kanzleramt ins Parlament ist aus Sicht der Opposition ein Schachzug, aber kein Systemwechsel. „Sebastian Kurz tritt die Flucht in die parlamentarische Immunität an“, sagte der Chef der rechten FPÖ, Herbert Kickl. Er bezog sich auf Korruptionsermittlungen gegen den konservativen Kurz (ÖVP), die am Samstagabend zu seinem Rücktritt führten. Außenminister Alexander Schallenberg soll das Kanzleramt übernehmen.

Die Staatsanwaltschaft verdächtigt Kurz und seine engsten Vertrauten, mit Steuergeldern vorteilhafte Medienberichterstattung gekauft zu haben, um den Weg an die Spitze der Partei und der Republik zu ebnen.

Dass Kurz weiter Parteichef bleibt und Fraktionschef wird, werteten die Oppositionsparteien nicht nur als juristisches, sondern auch als politisches Manöver. Sie waren sich einig, dass diese Haltung nun aufrechterhalten werde und das „System Kurz“ weiter bestehen werde. „Seit einer Stunde ist Kurz nicht mehr Bundeskanzler, aber Schattenkanzler der Republik“, sagte etwa die sozialdemokratische Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Chefin der liberalen Neos Beate Meinl-Reisinger sagte, Kurz werde weiter alle Fäden in der Hand behalten.

Als Kurz 2017 die Führung der ÖVP übernahm, ließ er sich weitreichende Durchgriffsrechte zusichern, die nach wie vor gelten. Er kann das Regierungsteam, die Kandidatenlisten bei Parlamentswahlen sowie die politische Linie der ÖVP allein bestimmen.

Die Regierungskrise war durch Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ausgelöst worden. Enge Mitstreiter des Kanzlers stehen im Verdacht, wohlmeinende Berichterstattung in einem Medienunternehmen erkauft zu haben, um Kurz ab 2016 den Weg an die Parteispitze und in das Bundeskanzleramt zu ebnen. Auch Kurz wird als Beschuldigter geführt. Er bestreitet die Vorwürfe.

In einer siebenminütigen Rede betonte der Kanzler erneut seine Unschuld. Er gebe sein Amt aber aus Verantwortung für das Land ab. Es drohe nach einem Ende der ÖVP-Grünen-Koalition das Chaos einer Vier-Parteien-Zusammenarbeit von Grünen, SPÖ, liberalen Neos und rechter FPÖ. Die mächtigen Länderchefs der ÖVP begrüßten den Schritt. Tirols Ministerpräsident Günther Platter sagte, Kurz habe gemeinsam mit den Landeschefs entschieden, „einen Schritt zur Seite zu treten, bis die gegen ihn erhobenen Vorwürfe geklärt seien.“

Auch die Industrie zeigte sich zufrieden. Es sei wichtig, das Ansehen Österreichs in der Welt und das internationale Vertrauen in den Standort zu wahren, so die Industriellenvereinigung.

Die Grünen hatten in den vergangenen Tagen bereits mit Oppositionsparteien Gespräche über eine Mehrparteienregierung ohne ÖVP geführt - für den Fall, dass der Kanzler nicht zurücktritt.

(lha/dpa/afp)
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