Neue Großkundgebung im Iran Regierungsgegner fordern das System heraus

Teheran (RPO). Ali Chamenei, oberster geistlicher Führer des Iran hat Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi ausdrücklich gewarnt. Dennoch hat er für den heutigen Donnerstag zu einer neuen Großkundgebung aufgerufen. Schon am Mittwoch waren wieder Zehntausende auf die Straße gegangen. Sie fordern etwas für die Regierung Unannehmbares: die Annullierung der Wahl.

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Für heute rief der unterlegene Herausforderer von Präsident Mahmud Ahmadinedschad, der reformorientierte Mir-Hossein Mussawi, seine Anhänger zu friedlichen Protesten im Gedenken an die getöteten "Märtyrer" auf. Dabei solle auch für eine Annullierung der Wahl demonstriert werden. "Wir verfolgen weiterhin das Ziel einer Annullierung und Wiederholung der Wahl", sagte Mussawi, "und zwar so, dass sich dieser schändliche Betrug nicht wiederholt."

Chamenei, Irans erster Mann im politisch-islamischen System, hat die Wahl jedoch bereits angenommen, Ahmadinedschad offiziell gratuliert. In einem ersten Zugeständnis hatte er am Montag die Überprüfung der Wahlen durch den zwölfköpfigen Wächterrat binnen zehn Tagen angeordnet. Von einer Annullierung will er bisher nichts wissen - ebensowenig wie Ahmadinedschad und seine Regierung.

Immerhin setzte das Regime in Teheran ein weiteres Zeichen, die Kontrolle der Wahlen ernsthaft vornehmen zu wollen. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des iranischen Parlaments, Alaeddin Boroujerdi, teilte seinem deutschen Amtskollegen Ruprecht Polenz in einem Telefonat mit, dass die Volksvertretung in Teheran einen Sonderausschuss gebildet habe, der ebenfalls die Wahlvorgänge überprüfen soll. Die Mitglieder hätten sich bereits mit Mussawi getroffen und das weitere Vorgehen abgesprochen.

Proteste am Domnnerstag Wie Teilnehmer der bisherigen Protestmärsche mitteilten, ist für Donnerstag um 14 Uhr Ortszeit (11.30 Uhr MESZ) eine erste Versammlung vor dem Büro der Vereinten Nationen in Teheran geplant, eine weitere soll um 16 Uhr Ortszeit (13.30 Uhr MESZ) auf dem Imam-Platz im Süden der Hauptstadt folgen. Mussawi hatte den Donnerstag zum Trauertag für die Toten der Demonstrationen erklärt und dazu aufgerufen, sich aus Trauer um sie schwarzgekleidet in den Moscheen zu versammeln. Er selbst wolle auch an einer "Zeremonie" teilnehmen, hieß es. Am Montag waren in Teheran mindestens sieben Demonstranten getötet worden. Oppositionelle Quellen sprechen von weitaus mehr Toten.

Proteste am Samstag Die Vereinigung der kämpfenden Geistlichen, ein von Chatami mitgegründeter Zusammenschluss reformorientierter Kleriker, beantragte unterdessen beim Präfekten Teherans für Samstag eine Massenkundgebung. Mussawi soll als Redner auftreten. Auf Mussawis Wahlkampfseite im Internet hieß es, die Demonstration solle um 16 Uhr Ortszeit auf dem Enkelab-Platz beginnen und um 19 Uhr auf dem Asadi-Platz enden. Dies war auch die Route des Protestmarschs gegen den alten und neuen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad am Montag, an dem mehrere hunderttausend Demonstranten teilnahmen.

Mussawi und Chatami forderten in einem auf der Internetseite veröffentlichten offenen Brief, alle Festnahmen der vergangenen Tagen müssten zurückgenommen werden. Sie erklärten sich zudem besorgt über die "beunruhigende Lage" im Land und forderten ein Ende der Gewalt gegen friedliche Demonstranten. Seit dem Beginn der Proteste nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses waren mehrere reformorientierte Journalisten oder bekannte Unterstützer der Präsidentschaftskandidaten Mussawi und Mehdi Karubi sowie hunderte Demonstranten festgenommen worden.

Die US-Regierung wies inzwischen Vorwürfe aus Teheran zurück, sie mische sich in innere Angelegenheiten des Irans ein. Der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs sagte, Präsident Barack Obama werde aber weiterhin seiner Sorge über die Lage im Irak zum Ausdruck bringen. Das staatliche iranische Fernsehen hatte am Mittwoch berichtet, das Außenministerium in Teheran habe den die Interessen der USA im Iran vertretenden Schweizer Botschafter einbestellt und ihm eine Protestnote wegen der "interventionistischen Erklärungen" von US-Regierungsmitgliedern übergeben.

Am Mittwoch waren in Teheran den dritten Tag in Folge wieder tausende Menschen auf die Straße gegangen. Die Demonstration wurde in einem Amateur-Video festgehalten, aber auch das staatliche Fernsehen berichtete darüber. Viele der Demonstranten trugen als Zeichen der Unterstützung für Mussawi grüne Kleidung. Sogar bei einem Fußball-WM-Qualifikationsspiel in Südkorea erschienen mehrere iranische Nationalspieler mit grünen Armbändern - für den fußball-verrückten Iran ein sensationelles Zeichen. In der zweiten Halbzeit mussten aber die meisten von ihnen die Bänder abnehmen.

(AP)
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