Bei Trumps Kongressrede Frauen in Weiß setzen ein Zeichen

Washington · Während der US-Präsident zur Lage der Nation sprach, drückten hauptsächlich Oppositionelle mit ihrer Garderobe ihren Unmut aus. Sie erinnern damit an eine 100 Jahre alte Protestaktion.

 In Weiß gekleidete Frauen, darunter Alexandria Ocasio-Cortez (M.), bei Trumps Kongressrede.

In Weiß gekleidete Frauen, darunter Alexandria Ocasio-Cortez (M.), bei Trumps Kongressrede.

Foto: dpa/J. Scott Applewhite

Dutzende Frauen in Weiß sitzen Donald Trump im Halbrund des Parlamentssaals gegenüber. Es sind überwiegend Frauen der Opposition, die während seiner Rede ein optisches Signal für die Frauenrechte aussenden: Mit ihrer Garderobe erinnern sie an die weißgekleideten Aktivistinnen, die vor 100 Jahren in den USA das volle Wahlrecht für Frauen erkämpften. Für die Politikerinnen ist ihr Weiß an diesem Dienstagabend im Kongress aber auch ein Signal gegen den US-Präsidenten, der in ihren Kreisen als Frauenverächter gilt.

Die Oppositionsfrauen in Weiß - viele von ihnen neu im Kongress – verfolgen Trumps Rede zur Lage der Nation über weite Strecken mit versteinerten Gesichtern. Seine flammenden Aufrufe zu Kompromissen im erbitterten Streit um den Staatshaushalt und die Einwanderungspolitik perlen an ihnen ab. Es wird deutlich, dass sie dem Präsidenten das Versöhnungspathos nicht abkaufen.

Nur an einer Stelle seiner rund 80-minütigen Rede schafft es Trump, die Frauen in Weiß in Begeisterung zu versetzen: Als er die Rekordzahl von Frauen im neugewählten Kongress würdigt, springen sie auf, klatschen sich gegenseitig ab und jubeln. Der Präsident ist amüsiert. "Das hättet Ihr nicht tun sollen", witzelt er.

Der Jubel der Frauen geht derweil in "USA! USA!"-Rufe über, die sowohl von Demokraten als auch Republikanern kommen. Es ist ein kurzer Moment parteiübergreifender Euphorie – der aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass Trump mit seiner Rede nichts dazu beiträgt, die extreme politische Polarisierung in Washington zu überwinden.

Denn nicht nur, dass seine Aufrufe, jahrzehntelange "Spaltungen zu überbrücken" und "neue Koalitionen zu bauen", von vornherein der Glaubwürdigkeit entbehren. Sie passen zu wenig mit seinem üblichen Haudrauf-Modus zusammen. Zudem führt Trump seine Versöhnungsbotschaft in anderen Redepassagen ad absurdum, in denen er auf seinen festgefahrenen Positionen beharrt.

So hält der Präsident an seinem von der Opposition vehement abgelehnten Projekt einer Mauer an der Grenze zu Mexiko fest: "Ich bekomme sie gebaut", ruft er trotzig aus.

Der Mauer-Streit hatte die Haushaltssperre ausgelöst, die fünf Wochen lang die Bundesbehörden großteils lahmlegte - und Trumps Popularitätswerte absacken ließ. Und ein weiterer "shutdown" droht, sollten Trump und der seit Jahresanfang teilweise von den Demokraten beherrschte Kongress nicht rasch einen Kompromiss finden – nur bis 15. Februar läuft ein Übergangsetat.

Doch Trump hat sich mit seinem Mauer-Projekt selbst eingemauert: Er steht mit dem Vorhaben bei seiner Kernwählerschaft im Wort. Und deshalb zieht er auch in dieser Rede polemisch gegen die illegale Zuwanderung vom Leder, indem er etwa die Trecks zentralamerikanischer Migranten als "gewaltigen Angriff" auf das Land anprangert.

Nicht nur damit provoziert Trump die Opposition. Er wütet auch gegen die Ausschussuntersuchungen zu den Russland-Kontakten seines Wahlkampfteams und anderen dubiosen Vorgängen rund um seine Person und Präsidentschaft. "Lächerlich" und "parteiisch" nennt er diese Nachforschungen, mit dem ihm die Demokraten kraft ihrer bei den November-Wahlen errungenen Mehrheit im Repräsentantenhaus zu Leibe rücken wollen.

Die massive Gegenwehr aus dem Parlament, mit der sich Trump neuerdings konfrontiert sieht, illustriert nicht nur der weiße Frauenblock in seinem Angesicht – sondern auch eine weitere weißgekleidete Parlamentarierin, die während der Rede in seinem Rücken sitzt. Oppositionschefin Nancy Pelosi, die seit Januar dem Repräsentantenhaus vorsteht, hatte wegen der Etatsperre Trumps Rede verschoben – und ihm damit ihre neue Macht vorgeführt.

Während seiner Ansprache kommt Pelosis Körpersprache einem durchlaufenden Kommentar gleich. Auch sie zollt stehenden Applaus, als Trump die Rekordzahl von Frauen im Kongress erwähnt. Und auch sie verharrt in regungsloser Ablehnung, als er für seine Mauer wirbt. Die Frauen in Weiß – so sieht es zumindest an diesem Abend aus – haben Trump umzingelt.

(cpas/AFP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort