Norwegen wählt Rechtspopulisten drängen in die Regierung

Oslo · Eigentlich hat Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg alles richtig gemacht. Er hat das Land an der weltweiten Finanzkrise vorbeigeschifft, er hat die Norweger nach den Anschlägen vom 22. Juli 2011 zusammengeschweißt, und auch im Wahlkampf hat er so gut wie jede der vielen TV-Debatten mit seiner konservativen Gegenkandidatin Erna Solberg für sich entschieden. Und trotzdem geht kaum einer in Norwegen davon aus, dass der Chef der Arbeiterpartei am 8. und 9. September wieder in die Regierung gewählt wird.

Die Norweger wollen einen Wechsel. Sie sind der seit acht Jahren regierenden Koalition aus Arbeiterpartei (Ap), Sozialistischer Linkspartei (SV) und Zentrumspartei (Sp) überdrüssig. Die Krankenhäuser seien in schlechtem Zustand, die Steuern zu hoch und die Schulen könnten auch besser sein - so einige der Kritikpunkte. Aus deutscher Sicht jammern die Norweger auf hohem Niveau. Dabei hätten sie allen Grund, zufrieden zu sein, meint auch der Wahlforscher Johannes Bergh vom Institut für Gesellschaftsforschung in Oslo. "Wir sind nicht in einer Krise. Die Wirtschaft wächst, Arbeitsplätze sind nicht in Gefahr und deshalb ist es in gewisser Weise kein Risiko, zu experimentieren, was Neues auszuprobieren."

Etwas Neues, das heißt in diesem Fall eine Regierung angeführt von der konservativen Partei Høyre mit ihrer Spitzenkandidatin Erna Solberg. Høyre liegt, wie die regierende Arbeiterpartei, bei den Umfragen bei etwa 30 Prozent. Sie hat aber eine größere Auswahl an potenziellen Koalitionspartnern als die Arbeiterpartei.

Als erstes bietet sich die rechtspopulistische Fortschrittspartei (Frp) an, die bei den jüngsten Umfragen auf 15 Prozent kam. Wie auch Høyre will sie die Vermögens- und die Erbschaftssteuer abschaffen und mehr Privatisierung im Gesundheitswesen zulassen. Doch die Frp hat ein ausgesprochen rechtes Profil, will die Einwanderung stark begrenzen und mehr Geld von den Ölgewinnen abzapfen. Und damit haben nicht nur Høyre sondern auch die anderen möglichen Koalitionspartner im konservativen Lager Probleme.

Die wertkonservative Christliche Partei (KrF) will auf gar keinen Fall mit den Rechtspopulisten in einer Regierung sitzen und auch die liberale Venstre (V) findet die radikalen Ansichten der Fortschrittspartei abschreckend. Davon abgesehen ist die Frp-Vorsitzende Siv Jensen eine starke Persönlichkeit, die sich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt.

Schwierige Koalitionsverhandlungen vorprogrammiert

"Ich weiß, wenn wir in einer Regierung zusammensitzen, wird es einige heftige Diskussionen geben", räumte Erna Solberg gegenüber der dpa ein. Die Høyre-Chefin ist in einer schwierigen Situation. Bildet sie eine Koalition nur mit der Fortschrittspartei, bekommen die Rechtspopulisten mehr vom Kuchen, als ihr recht ist. Auf der anderen Seite kann sie nicht auf eine Koalition nur mit Venstre und der Christenpartei setzten, denn beide liegen bei den Umfragen bei nur jeweils fünf Prozent. Eine Mehrheit von 50 Prozent ist mit der Dreierkonstellation nicht zu machen. Und die rechtspopulistische Siv Jensen hat bereits angekündigt, eine Regierung ohne ihre Fortschrittspartei nicht so ohne weiteres zu unterstützen.

Für eine solide Mehrheit wäre also eine Koalition aus Høyre, Venstre, Fortschrittspartei und Christenpartei die sicherste Bank. Doch ob da alle mitspielen? "Es wird eine große Herausforderung für Erna Solberg sein, alle vier Parteien unter einen Hut zu bekommen", meint auch der Politikwissenschaftler Bergh. Er tippt, dass Høyre und die Fortschrittspartei eine Minderheitsregierung bilden und sich von Venstre unterstützen lassen.

Erna Solberg aber sagt, sie würde, wenn sich die anderen nicht einig werden, im Notfall auch allein regieren. Für Norwegen wäre das nicht ungewöhnlich. 60 Prozent der letzten Regierungen waren Minderheitsregierungen.

(dpa)
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