Kardinäle "regieren" Ratzinger wird Interimschef, Martinez sein "Kanzler"

Vatikanstadt (rpo). Nach dem Tod des Papstes geht die Leitung der Kirche und des Vatikanstaates vorübergehend an das Kardinalskollegium über. Dessen Dekan, der deutsche Kurienkardinal Joseph Ratzinger, lädt die 183 Kardinäle zu Generalkongregationen in den Apostolischen Palast ein. Sie finden bis zum Beginn des Konklaves täglich statt.

Bei diesen Treffen werden alle anstehenden Fragen beraten und entschieden: angefangen von der Aufbahrung des verstorbenen Kirchenoberhaupts in der Vatikan-Basilika, von den Trauerfeierlichkeiten bis hin zur Vorbereitung des Konklaves, das den neuen Papst wählt.

Allerdings sind die Befugnisse des Kardinalskollegiums in der Kirchenleitung in dieser Phase sehr eingeschränkt. Es kann aktuelle Fragen regeln, darf aber nicht in Angelegenheiten entscheiden, die dem Papst vorbehalten sind. Das alles muss warten, bis ein neues Kirchenoberhaupt gewählt wird und neu entscheidet. Die Kardinäle dürfen keine von den Päpsten erlassene Gesetze korrigieren oder ändern, an ihnen Zusätze oder Abstriche vornehmen. Das gilt insbesondere für die Bestimmungen zur Papstwahl, wie sie Johannes Paul II. 1996 in seiner Konstitution zur Sedisvakanz festlegte. An den Generalkongregationen müssen die in Rom anwesenden wahlberechtigten Kardinäle teilnehmen; die Anwesenheit der 66 über 80-Jährigen ist erwünscht. Neben den Generalkongregationen finden auch Sonderkongregationen statt, die als "Ausschüsse" unter Leitung des Camerlengo Fragen von untergeordneter Bedeutung beraten.

Mit dem Tod des Papstes verlieren der Kardinal-Staatssekretär sowie alle Kurienkardinäle und vatikanischen Behörden-Chefs ihre Ämter. Nur der Camerlengo, der spanische Kardinal Eduardo Martinez Somalo (78), der während der Sedisvakanz eine Schlüsselfunktion erhält, bleibt im Amt. Das gilt ebenso für den Großpönitentiar der Kirche, Kardinal James Francis Stafford, und Roms Kardinalvikar Camillo Ruini. Allerdings können die Kongregationen und Räte die laufenden Amtsgeschäfts fortsetzen. Daher behalten sowohl der Innen- und der Außenminister als auch die Sekretäre der Kongregationen und Räte ihre Ämter. Zudem bleiben die Vertreter des Papstes in den 176 Staaten, die mit dem Vatikan diplomatische Beziehungen unterhalten, die Nuntien, in ihren Funktionen.

Diese Regelungen gelten bis zur Wahl des neuen Papstes. Sobald das Konklave einen Nachfolger für Johannes Paul II. gewählt und dieser die Wahl angenommen hat, können als erste der Innen- und der Außenminister sowie der Präfekt des Päpstlichen Hauses zum Neugewählten vortreten und mit ihm anstehende Angelegenheiten beraten. Zu den ersten Amtshandlungen des neuen Kirchenoberhauptes gehört die Bildung seiner "Regierungsmannschaft", mit dem Kardinal-Staatssekretär und den Kardinal-Ministern der verschiedenen Ressorts. Der Papst kann die Regierung seines Vorgängers ganz oder teilweise bestätigen oder aber völlig neues Führungspersonal bestimmen. Er kann die Ressortchefs jedoch auch um die Fortführung der Amtsgeschäfte bitten, bis er sich in sein Amt eingearbeitet hat und endgültige Regelungen trifft.

(afp)
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