Unruhen in den USA Ein zerrissenes Land

Washington · Schon seit Tagen erschüttern schwere Proteste Amerika. Nun kündigt US-Präsident Donald Trump den möglichen Einsatz von Soldaten an. Doch trotz seiner markigen Worte kommt das Land nicht zur Ruhe.

 Polizisten in Atlanta knien aus Solidarität mit Demonstranten nieder. 

Polizisten in Atlanta knien aus Solidarität mit Demonstranten nieder. 

Foto: dpa/Curtis Compton

US-Präsident Donald Trump versuchte, Stärke zu demonstrieren, als er am Montag im Rosengarten des Weißen Hauses vor die Presse trat. Er sei ein „Recht-und-Ordnung-Präsident“, so das Staatsoberhaupt. Er verglich die gewalttätigen Demonstrationen, die seit einer Woche zahlreiche amerikanische Städte im Griff haben, mit „Terrorismus“. Dann drohte er, das Militär einzusetzen, um die Unruhen zu beenden. „Unser Land gewinnt immer. Deshalb ergreife ich Sofortmaßnahmen, um die Gewalt zu beenden“, so Trump.

Doch trotz Trumps markiger Worte kommen die Vereinigten Staaten nicht zu Ruhe. Auch in der Nacht zum Dienstag strömten Zehntausende Demonstranten auf die Straßen zahlreicher Städte. Die Polizei setzte vielerorts Tränengas ein, in einigen Landesteilen wurde geschossen. Seit Ausbruch der Unruhen in der vergangenen Woche sind mehr als 5600 Menschen festgenommen worden. Auch die Zahl der Todesopfer stieg erneut, nachdem zwei Menschen in einem Vorort von Chicago ums Leben kamen. Die Proteste hatten begonnen, nachdem der schwarze Amerikaner George Floyd in Polizeigewahrsam ums Leben gekommen war.

 Vor der St.-John-Kirche in Washington: Donald Trump mit Bibel.

Vor der St.-John-Kirche in Washington: Donald Trump mit Bibel.

Foto: AP/Patrick Semansky

Der Präsident hofft nun, durch den Einsatz des Militärs die Lage wieder beruhigen zu können. Doch der Schritt ist umstritten. Der Einsatz des Militärs im Inneren ist nur in Ausnahmesituationen zulässig. Ein Gesetz von 1878, der Posse Comitatus Act, untersagt sogar explizit, die Streitkräfte für Polizeiaufgaben im Inland einzusetzen. Allerdings sieht eine noch ältere Regel, der Insurrection Act von 1807, vor, dass der Präsident Truppen innerhalb der Landesgrenzen mobilisieren darf, um Aufstände zu unterdrücken.

 In Atlanta liegen Demonstranten auf der Straße und protestieren so gegen Polizeigewalt und Rassismus.

In Atlanta liegen Demonstranten auf der Straße und protestieren so gegen Polizeigewalt und Rassismus.

Foto: dpa/Ben Gray

Trump wäre nicht der erste Präsident, der auf dieses Gesetz zurückgreift. Zuletzt setzte Präsident George W. Bush den Insurrection Act ein, um die Unruhen in Los Angeles im Jahr 1992 zu beenden. Bush handelte allerdings im Einvernehmen mit der Regierung des Bundesstaats Kalifornien. Dass ein Staatsoberhaupt das Militär ohne Einverständnis des zuständigen Gouverneurs entsendet, ist die absolute Ausnahme. Die Präsidenten Dwight D. Eisenhower und John F. Kennedy taten dies etwa, um während der Bürgerrechtsbewegung Gerichtsurteile zum Ende der Rassentrennung durchzusetzen, die von einigen Bundesstaaten abgelehnt wurden.

 Polizeibeamte in Minneapolis sprühen aus kurzer Distanz Pfefferspray auf Demonstranten.

Polizeibeamte in Minneapolis sprühen aus kurzer Distanz Pfefferspray auf Demonstranten.

Foto: dpa/Elizabeth Flores

Auf die Kooperation der Staaten kann Trump in der derzeitigen Situation nicht zählen. In einem Telefonat warf er am Montag mehreren Gouverneuren vor, zu zurückhaltend gegen die Proteste vorzugehen. Am Abend, im Rosengarten, kündigte er dann an, das Militär zu schicken, sollten die Sicherheitskräfte vor Ort die Lage nicht unter Kontrolle bringen. Bislang hat noch kein Bundesstaat das Militär zur Unterstützung angefordert – auch nicht Trumps Parteifreunde, die sich teils verhalten zustimmend zu den Plänen des Präsidenten geäußert hatten. Mehrere Bundesstaaten haben bereits rechtlichen Widerstand angedroht, sollte der Präsident tatsächlich unaufgefordert Soldaten in Marsch setzen. „Der Präsident der Vereinigten Staaten ist kein Diktator“, so New Yorks Justizministerin Letitia James.

 Ein Plünderer trägt Waren aus einem 7-Eleven-Supermarkt in New York.

Ein Plünderer trägt Waren aus einem 7-Eleven-Supermarkt in New York.

Foto: AP/Frank Franklin II

Trotzdem gehen Rechtsexperten davon aus, dass Trump wohl die Autorität hat, Truppen zu mobilisieren. Die ersten Soldaten sind ohnehin bereits im Einsatz. Am Montag beorderte die Bundesregierung 200 bis 250 Militärpolizisten von ihrer Basis in Fort Bragg, North Carolina, in die Hauptstadt Washington. Sie sollen dort bislang jedoch keine Polizeiaufgaben übernehmen, sondern für zusätzliche Sicherheit sorgen.

 Ein Mitarbeiter der Florida Highway Patrol und Polizisten knien in Boca Raton mit einem Demonstranten nieder.

Ein Mitarbeiter der Florida Highway Patrol und Polizisten knien in Boca Raton mit einem Demonstranten nieder.

Foto: dpa/Greg Lovett

Dass Trump, was den Einsatz von Bundeskräften angeht, nicht zimperlich ist, demonstrierte er bereits direkt nach seiner Stellungnahme. Auf Geheiß der Regierungszentrale vertrieben Bundespolizisten mit Tränengas und Gummigeschossen friedliche Demonstranten, die sich im Lafayette-Park vor dem Weißen Haus versammelt hatten. Kurz danach überquerte der Präsident den frisch geräumten Platz, um die am Vorabend in Brand gesetzte historische St.-John-Kirche zu besuchen. Trump betrat das Gebäude nicht, hielt jedoch für die Fotografen eine Bibel in die Luft. Die episkopische Bischöfin der Diözese der Hauptstadt, Mariann E. Budde, kritisierte die Aktion. „Wir brauchen einen Präsidenten, der einen und heilen kann“, so Budde. „Er tut das Gegenteil und wir müssen hinter ihm aufräumen.“

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