40 Jahre Haft Ban nennt Urteil gegen Ex-Serbenführer Karadzic "historisch"

New York/Den Haag · Für das UN-Kriegsverbrechertribunal ist Radovan Karadzic der politische Hauptverantwortliche des Völkermords von Srebrenica. Die UN begrüßen den Richterspruch. Kritik kommt von seiner früheren Partei.

 Radovan Karadzic wurde wegen Völkermords schuldig gesprochen.

Radovan Karadzic wurde wegen Völkermords schuldig gesprochen.

Foto: ap

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat das Urteil gegen den früheren Serbenführer Radovan Karadzic als "historisch" für die Menschen im ehemaligen Jugoslawien und die internationale Strafjustiz bezeichnet.

Knapp 21 Jahre nach dem Völkermord von Srebrenica im Osten von Bosnien-Herzegowina wurde Karadzic als politischer Hauptverantwortlicher zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt. Der 70-Jährige sei schuld an tausendfachem Mord, urteilte das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag am Donnerstag. Die Rechtsberater Karadzics kündigten an, in Berufung zu gehen.

"Dieses Urteil ist eine kräftige Manifestation"

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte Said Raad al-Hussein sagte in Genf: "Dieses Urteil ist eine kräftige Manifestation des unerbittlichen Bekenntnisses der internationalen Gemeinschaft, Täter zur Verantwortung zu ziehen."

Positive Reaktionen kam unter anderem auch vom Jüdischen Weltkongress und dem Internationalen Auschwitz Komitee, das von einem wichtigen Signal sprach, "dass die Welt Völkermord - egal wann und wo er geschieht - nicht mehr vergessen will, sondern juristisch ahndet."

Karadzics frühere Partei SDS kritisierte das Urteil in einer ersten Reaktion. Er hoffe, dass im Berufungsprozess "das Unrecht korrigiert wird", sagte ihr Vorsitzender Mladen Bosic in Sarajevo. Der sozialdemokratische Parteichef Nermin Niksic sagte dagegen: "Karadzic wird in die Geschichte eingehen als einer der größten Verbrecher."

Sondersitzung in Serbien am Freitag

Die Regierung Serbiens kommt am Freitag zu einer Sondersitzung zusammen. Einziges Thema sei das Urteil des UN-Kriegsverbrechertribunals, berichtete der TV-Sender B92 am Donnerstag in Belgrad. Zuvor werde Regierungschef Aleksandar Vucic mit dem Patriarchen der Serbisch-Orthodoxen Kirche, Irinej, zusammenkommen

Karadzic ist nach Ansicht des Gerichts einer der Hauptschuldigen des Massakers in der damaligen UN-Schutzzone. Serbische Einheiten hatten im Juli 1995 Srebrenica überrannt und danach etwa 8000 muslimische Männer und Jungen abgeführt und ermordet. Der Angeklagte sei "verantwortlich für den Genozid", erklärte das Gericht.

Als ehemaliger Präsident der bosnischen Serben ist er auch der ranghöchste Politiker, der jemals wegen des Völkermordes in Srebrenica schuldig gesprochen wurde.

Schwere Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Die Richter verurteilten den ehemaligen Psychiater auch für schwere Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darunter Mord, Ausrottung, Deportationen, Terror und Vertreibung. Opfer waren bosnische Muslime und Kroaten. "Er verfolgte gemeinsam mit anderen den Plan, alle Nicht-Serben dauerhaft von bosnischem Gebiet zu vertreiben", erklärte der Vorsitzende Richter O-Gon Kwon.

Der Bosnien-Krieg in den 1990er Jahren kostete mehr als 100.000 Menschen das Leben. Allein bei der mehr als 44 Monate dauernden Belagerung von Sarajevo wurden mindestens 10.000 Menschen getötet.

Die Richter sprachen Karadzic allerdings vom Anklagepunkt des Völkermordes in sieben bosnischen Kommunen frei. Die dort von serbischen Einheiten begangenen Verbrechen waren nach Ansicht der Richter kein Völkermord. Doch erklärten sie: "Der Angeklagte ist individuell strafrechtlich verantwortlich für Ausrottung, Mord und Terror der Zivilbevölkerung."

Mahnwache vor dem Gericht

Mehrere Dutzend Opfer des Krieges hatten vor dem Gericht eine Mahnwache gehalten. Sie waren enttäuscht, dass Karadzic keine lebenslange Haftstrafe bekam. Auch in Serbien und Bosnien verfolgten viele Menschen die Fernsehübertragung des Urteils.

Chefankläger Serge Brammertz äußerte sich zufrieden. "Das Gericht erkannte seine individuelle Schuld an", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Karadzic wurde erst 2008 nach 13 Jahren auf der Flucht festgenommen. Die acht Jahre in Untersuchungshaft werden von seiner Strafe abgezogen.

Vor dem UN-Tribunal läuft nun noch ein Srebrenica-Prozess. Das Urteil gegen Ex-General Mladic, unter dessen Kommando serbische Einheiten die Enklave überrannt hatten, wird im kommenden Jahr erwartet.

(spol/dpa)
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