Konsequenz nach Spesen-Skandal Radikal-Reform für Londons Lords

London (RP). Zu groß, zu elitär und zu ineffizient ist das britische House of Lords, das die regierende Labour-Partei seit Jahren reformieren will. Viele der ehrwürdigen Mitglieder sind selten anwesend, kassieren allerdings eine hohe Summe an Spesen. Jetzt wurde die Lords von der britischen "Sunday Times" ausführlich unter die Lupe genommen.

Brown und Miliband - gute Miene zum bösen Spiel
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Die "Spione" waren perfekt getarnt. Mit ihren Reporterblöcken sahen die jungen Männer und Frauen in Anzügen aus wie Korrespondenten der Londoner Qualitätszeitungen, die die Debatten im britischen Parlament beobachten. Journalisten waren sie auch, allerdings in einer besonderen Mission. Sechs Monate lang schickte die "Sunday Times" ihre Reporter in das House of Lords mit dem Ziel, die Anwesenheit mancher Mitglieder des Oberhauses an ihrem Arbeitsplatz zu protokollieren.

Mit der Stoppuhr auf den Fersen

Sobald ein bestimmter Politiker den Westminster-Palast betrat, drückte der Beobachter den Knopf auf einer Stoppuhr und heftete sich dem Parlamentarier an die Fersen. Und wozu das Ganze? Um zu beweisen, dass viele der 740 ehrwürdigen Mitglieder des Oberhauses mit Adligen, Bischöfen, Richtern und Vertretern der größten Parteien Schmarotzer sind, die den Steuerzahler eine Menge Geld kosten, ohne dass sie etwas leisten.

Nur drei Minuten im Sitzungssaal

Lord Smith of Finsbury habe an drei Tagen in der Vorwoche im Schnitt nur je drei Minuten im Sitzungssaal verbracht, enthüllt das Blatt. Dafür habe sich der 57 Jahre alte Ex-Kulturminister mit umgerechnet 190 Euro pro "Arbeitstag" entschädigen lassen. Laut "Sunday Times" rechnet Lord Smith jährlich umgerechnet 22.000 Euro an Spesen ab, obwohl er sich selten an Abstimmungen beteiligt und noch seltener das Wort ergreift. Es gebe etwa 100 solcher nutzloser "pop-in peers" (etwa: Vorbeischau-Lords) im Oberhaus.

Problem ist lange bekannt

Das Problem ist lange bekannt: zu groß, zu elitär und zu ineffizient soll das House of Lords sein, das die regierende Labour-Partei seit Jahren reformieren will. 1999 schaffte es der damalige Premier Tony Blair, die Größe des Oberhauses zu halbieren und die Zahl der erblichen Titel ("hereditary peers") auf 92 zu reduzieren. Diese Woche plant die Regierung einen neuen Vorstoß: Laut einem Plan des Justizministers Jack Straw sollen die Lords erstens zukünftig ihre Würde frewilillig niederlegen können. Zweitens sollen Parlamentarier, die Verbrechen begehen, gefeuert werden. Drittens soll es keine Nachwahlen nach dem Tod von Erb-Adeligen mehr geben, so dass die "hereditary peers" eines Tages Geschichte sein könnten.

Die nicht gewählten Lords, die im britischen System die Gesetzgeber beraten, sind heute fast unangreifbar: Bei Verstößen gegen den Verhaltenskodex reicht ihnen eine Entschuldigung im Oberhaus. Nach Labour-Plänen könnten allzu gierige Lords "in Extremfällen" ihre Sitze verlieren.

(RP)
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