Seltsame Machtrochade im Kreml Quo vadis, Wladimir Putin?

Frankfurt/Main (RPO). Im Schach ist eine Rochade ein taktisches Manöver, bei dem die wichtigste Figur an den Rand rückt. Genau das passiert am kommenden Sonntag in Russland - auf machtpolitischer Ebene. Präsident Wladimir Putin wird wohl von seinem Wunschnachfolger Dimitri Medwedew abgelöst - und aller Wahrscheinlichkeit nach von diesem zum Ministerpräsidenten ernannt.

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Foto: AFP

Kreml-Astrologen in aller Welt sind sich aber verblüffend einig in der Einschätzung, dass Putin die Fäden der Macht in der Hand behalten wird. Putin hat selbst erklärt, dass er in dem 42-jährigen Juristen den Garant für Kontinuität sehe - also den Politiker, der den von ihm eingeschlagenen Weg fortsetzt.

Viele rechnen mit einer Rückkehr Putins ins einflussreichste Amt: Der seine körperliche Fitness gerne zur Schau stellende ehemalige KGB-Agent ist erst 55 Jahre alt. Bei der Parlamentswahl Ende vergangenen Jahres hatte er sich als Spitzenkandidat der Kreml-Partei Geeintes Russland quasi per Plebiszit als nationaler Führer bestätigen lassen. Putin geht - obwohl er in der Duma die Mehrheit für eine Verfassungsänderung gehabt hätte - wie versprochen als Präsident und bleibt wohl doch der Mann an den Hebeln der Macht.

Putin wird dafür respektiert, dass er nach den Wirren des Zusammenbruchs der Sowjetunion und radikaler marktwirtschaftlicher Reformen in der Ära seines Vorgängers Boris Jelzin für Stabilität gesorgt hat. Russland geht es vor allem dank seiner Einnahmen aus Öl- und Gasexporten gut - und damit auch dem Staat, der die Kontrolle über die Bodenschätze unter Putin effektiv an sich gezogen hat. Die pünktliche Auszahlung von Löhnen und Renten garantiert Putin enormen Rückhalt in einem Volk, das in den ersten Jahren nach dem Ende der Sowjetunion 1991 in einer marktwirtschaftlichen Rosskur verarmte - während sich einige wenige bereicherten.

"So viel Freiheit wie nötig"

Der entfesselte Kapitalismus in der Jelzin-Ära Boris hat dem Liberalismus in Russland auf Jahre den Boden entzogen. Im Duma-Wahlkampf nannte Putin seine Gegner "vom Ausland genährte Schakale" und beschrieb Liberale als Leute, "die einen schwachen und kranken Staat wollen".

Und eine solche Haltung hätte laut Putin ein schwaches Russland zur Folge. In einer Denkschrift zu Beginn seiner ersten Amtszeit hatte er bereits analysiert: "Es ist auch eine Tatsache, dass paternalistische Stimmungen in Russland tief verwurzelt sind. Die Mehrheit der Bevölkerung verbindet die Verbesserung seiner Lage nicht mit eigenen Anstrengungen, Initiative, Unternehmenslust, sondern viel mehr mit der Hilfe und Unterstützung des Staates und der Gesellschaft."

Putin hat sich als Präsident zur politischen Vaterfigur aufgeschwungen, zum Staatsmann, der auf Augenhöhe mit dem US-Präsidenten und den reichsten Industrienationen verhandelt.

Das förderte den Patriotismus, den Putin damals als "Quell für Mut, Standhaftigkeit und Kraft des Volkes" beschrieb. Um eine solche Gesellschaft zu entwickeln, bedürfe es "so viel Staat wie notwendig, so viel Freiheit wie nötig". Daran dürfte sich nach der Präsidentenwahl nicht viel ändern.

(ap)
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