Russland droht Rezession Putins Macht schwindet mit dem sinkenden Ölpreis

Moskau · Wie ein Drogenabhängiger an der Nadel - so hängen Russlands Wirtschaft und die Macht von Kremlchef Wladimir Putin vom Ölpreis ab. Dieser Vergleich ist beliebt bei Kremlkritikern. Sie warnen seit Jahren, der Staatsetat sei zu stark vom Ölverkauf abhängig.

Männlich, kräftig, überlegen- Wladimir Putin zeigt sich
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Foto: AP

Sinkt der Preis für das schwarze Gold, dann reißt dies Löcher in den Haushalt - wie jetzt wieder. Zwar demonstriert Putin selbst Gelassenheit. Analysten aber sprechen von Panikstimmung - und Angst vor einem Wirtschaftskollaps. Für Putins System schlage nun die Stunde der Wahrheit, meint der Publizist Michail Wojtenko. Ohne das Öl sei die Wirtschaft schließlich nicht viel wert. Die Ökononmie des Landes ächzt zudem seit Monaten unter der Last der Sanktionen. Diese hat der Westen im Zuge des Ukraine-Konflikts verhängt.

Halb flehend, halb drohend fordert Russland die EU und die USA auf, die Strafmaßnahmen aufzuheben. Verluste von 40 Milliarden Euro in diesem Jahr beklagt das Riesenreich. Hinzu kommt eine Kapitalflucht von rund 100 Milliarden US-Dollar (73 Mrd. Euro) für 2014. Das bringt die Rohstoffmacht an den Abgrund. Eine Rezession droht.

Doch die größten Ängste löst hier traditionell ein niedriger Ölpreis aus - nicht nur weil Milliarden Petrodollars im Haushalt fehlen. Jeder Russe spürt das, weil in solchen Zeiten immer auch der Rubel an Wert verliert. Kostete etwa ein Euro zu Jahresbeginn noch etwa 45 Rubel, so müssen die Russen jetzt schon über 60 Rubel für die harte Währung zahlen. Die Staatsbank denkt deshalb erneut über eine Intervention nach, um den Kurs zu stützen.

Die an stetig steigende Einkommen gewöhnten Staatsdiener müssten sich nun auf eine Durststrecke einstellen, schreibt das Boulevardblatt "Moskowski Komsomolez" ("MK"). Die Preise für importierte Waren klettern. Nicht nur Urlaub im Ausland, Heimtechnik und Kleidung werden daher für viele unerschwinglich. Auch die Kosten für Lebensmittel steigen.

Wirtschaftliche Lage der Menschen verschlechtert sich

Die Unsicherheit ist groß, wie das Land den "wirtschaftlichen Krieg" mit dem Westen überleben wird, heißt es in vielen Kommentaren. Rund 80 Prozent der Menschen beklagen, dass sich ihre wirtschaftliche Lage verschlechtert habe, wie das Meinungsforschungsinstitut Lewada in einer Umfrage ermittelt hat.

Vor allem an Präsident Putin richten sich nun die Erwartungen. Er profitierte jahrelang von den hohen Rohstoffeinnahmen und verschaffte sich durch finanzielle Wohltaten auch für Polizei und Armee breite Loyalität. "Rettet Putin die heimische Wirtschaft vor dem Kollaps?", fragt das Blatt "MK" deshalb besorgt.

Der Ölpreis werde sich in der ersten Jahreshälfte 2015 erholen, meinte Putin noch am Freitag bei einem Treffen mit Rohstoffexperten zuversichtlich. Russland sieht sich noch immer durch Währungsreserven von rund 400 Milliarden US-Dollar gestärkt.

Wie aber die globalpolitischen Eskapaden und die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 finanziert werden, darauf gibt es bisher keine Antwort. Die umstrittene Annexion der Schwarzmeerhalbinsel Krim, die Unterstützung prorussischer Separatisten in der Ostukraine und die militärische Aufrüstung verschlingen Milliarden.

Finanzminister Anton Siluanow muss angesichts des gefallenen Ölpreises nun seinen Haushalt für 2015 überarbeiten - weil er von einem Preis von 96 US-Dollar je Barrel ausging. Jetzt will er nur noch 80 Dollar ansetzen. Doch auch das halten viele für optimistisch. Zudem sollen rund 500 Milliarden Rubel (8 Mrd. Euro)
aus einem Reservefonds fließen, um den Haushalt zu decken.

Der Chef des größten staatlichen Ölkonzerns Rosneft, Igor Setschin, meinte, dass der Preis noch bis auf 60 Dollar sinken könnte. Er erwartet erst in der zweiten Hälfte 2015 einen Anstieg. Analysten erinnerten zuletzt aber auch daran, dass Russland in den Krisenjahren 2008 und 2009 letztlich über die Runden kam. Bei Selbstkosten von 4 bis 5 US-Dollar je Barrel gilt die Förderung in Russland weiter als profitabel und deutlich günstiger als im internationalen Vergleich.

(dpa)
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