Rede zur Lage der Nation Putin warnt Westen vor Überschreiten seiner „roten Linie“

Moskau · Bei seiner Rede zur Lage der Nation hat Russlands Präsident Wladimir Putin den Westen scharf kritisiert. Derzeit sind die Beziehungen des Westens zu Russland schwer belastet.

 Wladimir Putin, der russische Präsident, hielt am Mittwoch eine Rede zur Lage der Nation.

Wladimir Putin, der russische Präsident, hielt am Mittwoch eine Rede zur Lage der Nation.

Foto: AFP/ALEXANDER NEMENOV

Unmittelbar vor geplanten Demonstrationen für Alexej Nawalny ist die russische Polizei massiv gegen Anhänger des Kreml-Kritikers vorgegangen, während Präsident Wladimir Putin den Westen zugleich vor dem Überschreiten einer "roten Linie" gewarnt hat. Nach Angaben von Aktivisten vom Mittwoch gab es in fast 30 russischen Städten Durchsuchungen bei und Festnahmen von Nawalny-Anhängern. Am Abend soll es in mehr als hundert Städten Demonstrationen für den inhaftierten Oppositionspolitiker geben.

Nach Angaben seiner Unterstützer durchsuchten russische Sicherheitskräfte unter anderem das Büro von Nawalny in St. Petersburg und nahmen seine Vertraute Ljubow Sobol sowie seine Sprecherin Kira Jarmysch fest. Nach Angaben der unabhängigen Beobachtergruppe OVD-Info gab es Razzien in mindestens 27 Städten, mehr als 50 Menschen wurden festgenommen.

Das massive Vorgehe der Polizei erfolgte vor für den Abend angekündigten Solidaritäts-Kundgebungen für Nawalny. Dabei gehe es nicht mehr nur um dessen Freiheit, sondern "um sein Leben", schrieb der Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow in einem Aufruf.

Nawalnys Gesundheitszustand hat sich nach Angaben seiner Unterstützer massiv verschlechtert, Ende März trat er in der Haft im Straflager in einen Hungerstreik, um Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung zu erhalten. Seine Ärzte warnten zuletzt vor der Gefahr eines Herzstillstandes bei dem 44-Jährigen.

Nawalny hatte im vergangenen August einen Giftanschlag überlebt, für den er den Kreml verantwortlich macht. Er wurde anschließend in der Berliner Charité behandelt. Nach seiner Rückkehr nach Russland im Januar wurde er festgenommen und zu zweieinhalb Jahren Straflager verurteilt. Bei anschließenden Protesten seiner Unterstützer waren mehr als 11.000 Menschen festgenommen worden.

Das Schicksal Nawalnys und das harte Vorgehen gegen seine Anhänger ist auf scharfe Kritik im Ausland gestoßen. Offenbar auch mit Blick darauf warnte Putin vor einer Eskalation: "Wir handeln immer mit Zurückhaltung und auf bescheidene Art", sagte er am Mittwoch in einer Rede zur Lage der Nation. Diese guten Intentionen dürften aber nicht als "Schwäche" missverstanden werden.

"Ich hoffe, niemand kommt auf die Idee, die rote Linie zu überschreiten", sagte Putin vor Abgeordneten und hochrangigen Regierungsvertretern. "Wir selbst entscheiden, wo diese verläuft." Ein Überschreiten würde eine "harsche" Reaktion hervorrufen, warnte der Präsident. Den Namen Nawalnys nannte er erwartungsgemäß in seiner Rede nicht - Putin hat sich bisher immer geweigert, diesen in den Mund zu nehmen.

Die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen sind derzeit sehr angespannt. Auch die Verlegung von zehntausenden russischen Soldaten an die Grenzen zur Ukraine und Aktivitäten des russischen Geheimdienstes in anderen Staaten haben den Westen alarmiert.

Der seit dem Jahr 2000 amtierende Putin hatte sich erst kürzlich per Unterschrift zwei weitere Amtszeiten ermöglicht. In einem umstrittenen Referendum hatte die Mehrheit der Wähler im vergangenen Sommer die Verfassungsänderung befürwortet, die dem 68-Jährigen zwei weitere sechsjährige Amtszeiten nach dem Ende seines aktuellen Mandats im Jahr 2024 erlaubt.

Allerdings sind die Zustimmungswerte zu Putin und seiner Partei Geeintes Russland so schlecht wie selten. Offenbar mit Blick auf die wachsende Unzufriedenheit und die im September anstehenden Parlamentswahlen versprach Putin, die Einkommen der Menschen dauerhaft erhöhen zu wollen. "Unsere Hauptaufgabe ist die Steigerung des Realeinkommens der Bürger."

Unter anderem kündigte der Präsident mehrere teure Sozialmaßnahmen an. Dazu zählen neue staatliche Sonderleistungen für Alleinerziehende und Schwangere, für jedes Schulkind soll es im August 10.000 Rubel (108 Euro) geben.

(mja/AFP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort