Russland Putin - ein lupenreiner Demokrat?

Moskau (RPO). Die russische Staatsmacht geht immer brutaler gegen Oppositionelle vor. Kein Zufall, sondern konsequente Entwicklung: In der Amtszeit von Präsident Putin wurden Grundrechte systematisch eingeschränkt. Kritische Journalisten fürchten um ihr Leben.

Proteste in Russland
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Wladimir Putin begann das vergangene Wochenende mit einem besonderen Spaß: In seiner Heimatstadt St. Petersburg eröffnete er am Samstag das Turnier der "Kämpfe ohne Regeln". Begeistert sah Russlands Präsident dabei zu, wie tätowierte Muskelmänner ihre Gegner mit Klammer-, Hebel- und Würgetechniken zu Fall brachten.

Ein "Kampf ohne Regeln" wütet zur gleichen Zeit auch auf den Straßen Moskaus. 9000 Polizisten, Soldaten und Truppen des Innenministeriums sind im Einsatz, um eine Demonstration von 1500 Oppositionellen zu verhindern. Bewaffnete in Kampfanzügen prügeln mit Gummiknüppeln auf friedliche Bürger ein. Selbst Auslands-Korrespondenten schlagen sie blutig. Den Ex-Schachweltmeister und Putin-Gegner Garri Kasparow nehmen sie fest. Am Sonntag wiederholen sich die Szenen der Polizeigewalt gegen Oppositionelle in St. Petersburg.

Einen "lupenreinen Demokraten" hat Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder seinen Duzfreund Wladimir Putin einst genannt. Nach diesem Wochenende ist klar, was von dieser Aussage zu halten ist. In den vergangenen sechs Jahren seiner Amtszeit hat Putin die Freiheiten und Grundrechte in Russland systematisch eingeschränkt. Jetzt, beim nervösen Endspurt vor der Präsidentenwahl 2008, entblößt er ungehemmt autoritäre Züge.

Als Putin im Januar 2000 die Nachfolge von Boris Jelzin antrat, war Russland politisch und wirtschaftlich instabil. Aber der ehemalige KGB-Chef übernahm ein Land mit einem unabhängigen Parlament, einer vielstimmigen freien Presse und einer starken Opposition. Mittlerweile ist davon kaum etwas übrig. Die Kreml-Strategen sprechen neuerdings gerne von "souveräner Demokratie". Politische Gegner haben in diesem System keinen Platz, ebenso wenig wie kritische Journalisten. Diverse Änderungen der Wahlgesetzgebung reduzieren die Zahl der politischen Parteien und machen die Gründung von neuen praktisch unmöglich.

So schafften kürzlich die Gerichte sowohl die Sozialdemokratische Partei von Ex-Präsident Michail Gorbatschow als auch die pro-westlichen Republikaner per Urteil ab. Angeblich erfüllen sie nicht die formalen Kriterien für eine Partei. Statt Vielfalt will der Kreml seinen Bürgern ein pseudo-demokratisches Zwei-Parteien-System verkaufen. Motto: Die Partei "Geeintes Russland" ist für Putin - die Partei "Gerechtes Russland" auch. Wer sich allzu kritisch gegen Putin äußert, der muss um Leib und Leben fürchten. Ungeklärt sind bisher die Umstände, die zum Tode des ehemaligen KGB-Agenten Alexander Litvinenko führten. Der Exil-Russe starb in London unter Qualen an Verstrahlung durch radioaktives Polonium. Auf dem Sterbebett machte er Putin für seinen Tod verantwortlich.

Die Reporterin Anna Politkowskaja, die in ihrer Berichterstattung über Tschetschenien und die Geiselnahme in Beslan Putin immer wieder angegriffen hatte, wurde im Oktober 2006 erschossen. Im März 2007 starb der Journalist Iwan Safronow. Der Familienvater stürzte aus dem Fenster seines Wohnhauses. Er war Militärexperte der Zeitung "Kommersant", die sich erfolgreich dem Druck von oben widersetzt hat. Safronow hatte bis kurz vor seinem Tod an einer Story über illegale Waffenexporte der russischen Rüstungsindustrie gearbeitet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen "Beihilfe zum Selbstmord". Safronow galt bis zu seinem gewaltsamen Tod als glücklich verheiratet und beruflich erfolgreich.

Ein Großteil der Medien ist gleichgeschaltet. Die einst kritische Zeitung "Izwestija" ist nach mehreren erzwungenen Chefredakteurswechseln ganz auf Linie. So druckte das Blatt in seiner Montagsausgabe kein einziges Bild von prügelnden Polizisten. Die Demonstranten denunzierte es als bezahlte Lakaien des US-Außenministeriums und des Putin-Gegners Beresowski. Um ihren Geldgebern zu gefallen, hätten die Demonstranten die Polizei attackiert, schreibt die "Izwestija". Dabei seien sei sogar vor ausgeklügelten Methoden nicht zurückgeschreckt: "Einige versteckten unter der Jacke Bekleidung, die sie mit blutfarbenem Dreck beschmiert hatten." So habe man später die blutenden Opfer des Regimes präsentieren können, erklärte die "Izwestija" ihren Lesern.

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