„Wie ein Spionage-Roman“ Pussy-Riot-Aktivistin plant nach Flucht aus Russland Konzerte - Kampf gegen Putin

Moskau · Die Punkband Pussy Riot ist dem Kreml seit Jahren ein Dorn im Auge. Vor allem Mitglied Maria Aljochina geriet zuletzt immer wieder ins Visier der russischen Justiz. Nun gelang ihr eine abenteuerliche Flucht aus Russland - Verkleidung inklusive. Sie will gegen Putin ankämpfen und plant Konzerte.

Maria Aljochina, russische Aktivistin der feministischen Protestgruppe Pussy Riot, im August 2018 während eines Protests vor einem Moskauer Gefängnis (Archivfoto).

Foto: dpa/Alexander Sofeev

Die russische Polit-Aktivistin Marija Aljochina plant nach ihrer Flucht aus Russland nach Berlin eine Reihe von Konzerten mit drei weiteren Mitgliedern der Punkband Pussy Riot. Nach einem am Donnerstag im Berliner Funkhaus geplanten Auftritt gehe die Gruppe auf Tournee, sagte die Sprecherin des Konzertveranstalters Xjazz, Yonca Lina Copuroglo, am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage. Ein fester Standort für die Band sei nicht geplant. Die Bandmitglieder hielten sich derzeit in verschiedenen Ländern auf, so die Sprecherin. Eine der Künstlerinnen lebe in den USA. An diesem Donnerstagabend (12. Mai) ist ein Konzert in Berlin geplant.

„Ich glaube, Putin kann uns nur lehren zu hassen: ihn und seine Taten. In Russland und jetzt in der Ukraine. Das sind Verbrechen“, sagte Aljochina dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Deshalb müsse man gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin ankämpfen und Opfern wie den ukrainischen Flüchtlingen helfen. Sie selbst habe aus Russland fliehen müssen, denn dort hätten ihr unmittelbar weitere drei Wochen Straflager gedroht, sagte die Aktivistin dem RBB.

Aljochina hat die Hoffnung auf Freiheit in ihrem Heimatland nicht aufgegeben. Sie habe die 90er-Jahre mit den Lockerungen erlebt und wisse, dass Russen die Freiheit lieben, das könne wunderbar sein, sagte Aljochina nach ihrer Flucht aus Russland dem Sender RBB. Doch diese Freiheit sei zerbrechlich, und unter Präsident Wladimir Putin werde es sie nicht geben. Daher werde sie weiter mit Pussy Riot gegen das russische Regime protestieren.

Maria Aljochina ist trotz polizeilicher Überwachung die Flucht aus Russland gelungen. Mit Hilfe von Freunden gelangte die 33-Jährige über Belarus nach Litauen, wie die Künstlerin der „New York Times“ in einem Interview in der litauischen Hauptstadt Vilnius sagte. Um ihren Überwachern in Moskau zu entkommen, habe sie sich als Essens-Lieferantin verkleidet. Das Blatt veröffentlichte Bilder von Aljochina in grüner Kurier-Uniform.

Zur Ablenkung und um nicht geortet zu werden, habe sie zudem ihr Handy zurückgelassen, berichtete die 33-Jährige. Der Anwalt der regierungskritischen und feministischen Aktivistin hatte am Dienstagabend nach Angaben der Agentur Interfax lediglich gesagt, Aljochina befinde sich nicht mehr auf russischem Staatsgebiet.

„Ich verstehe immer noch nicht ganz, was ich getan habe“, sagte die Künstlerin der Zeitung. Sie sei aber froh, dass sie es geschafft habe. „Wenn dein Herz frei ist, spielt es keine Rolle, wo du bist“, betonte sie in dem Gespräch. Vergangene Woche sei „viel Magie“ passiert. „Es klingt wie ein Spionage-Roman.“

Aljochina war 2012 mit ihrer Bandkollegin Nadeschda Tolokonnikowa zu zwei Jahren Straflager verurteilt worden. Sie hatte in einer Moskauer Kirche gegen Präsident Wladimir Putin protestiert. Ende 2013 wurden sie begnadigt und kamen frei. Zuletzt geriet Aljochina aber immer wieder mit der russischen Justiz in Konflikt. Im Zusammenhang mit Aufrufen zu Demonstrationen für den inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny wurde sie im September des Vorjahres zu einem Jahr Freiheitsbeschränkung verurteilt. So durfte sie ihre Wohnung nachts nicht verlassen. Seit Jahresbeginn wurde sie mehrmals von den Sicherheitsbehörden wegen verschiedener Vorwürfe aufgegriffen.

Ihr Entschluss, Russland zu verlassen, sei im April gefallen, als Putin begann, härter gegen Kritik am russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine durchzugreifen, erzählte die Künstlerin nun. Die Behörden hätten angekündigt, Aljochinas damaliger Hausarrest solle in 21 Tage Straflager umgewandelt werden.

Sie sei dann von einem Bekannten mit einem Auto an die Grenze zu Belarus gebracht worden und habe dann nach etwa einer Woche Litauen erreicht, schilderte sie. Zweimal sei sie von belarussischen Grenzschützern abgewiesen worden, beim dritten Mal habe es dann geklappt.

Ein befreundeter Künstler aus Island habe ein nicht genanntes europäisches Land dazu gebracht, der 33-Jährigen - deren Pass von Russland beschlagnahmt worden sei - ein Reisedokument auszustellen, das ihr einen ähnlichen Status wie eine EU-Bürgerin verliehen habe. Dieses Dokument sei nach Belarus geschmuggelt worden. In dem Land habe Aljochina Hotels und andere Orte vermieden, wo sie sich hätte ausweisen müssen. Unterdessen hätten russische Behörden bereits nach ihr gefahndet.

Dass ihr die Flucht gelungen sei, zeige auch das Chaos der russischen Strafverfolgungsbehörden, sagte die Künstlerin der „New York Times“. „Von hier aus sieht es aus wie ein riesiger Dämon, aber von innen betrachtet ist es sehr unorganisiert. Die rechte Hand weiß nicht, was die linke Hand tut.“ Sie hoffe trotz allem, irgendwann nach Russland zurückkehren zu können.

Auch andere Mitglieder der Band sollen Russland inzwischen verlassen haben, darunter eine Freundin Aljochinas, mit der sie sich eine Wohnung teilte. Auch sie habe sich dafür als Essens-Lieferantin verkleidet.

In Vilnius und auch in Island probe die Band nun für ihre bevorstehende Europa-Tournee, bei der Geld für die Ukraine gesammelt werden solle. An diesem Donnerstag (12. Mai) ist ein Konzert in Berlin geplant, bei dem auch Maria Aljochina dabei sein werde, sagte eine Sprecherin des XJazz-Festivals.

(peng/axd/dpa/epd)