Prozess gegen Adil Demirci Kölner muss in türkischem Gefängnis bleiben

Istanbul · Schon seit April sitzt der Kölner Sozialarbeiter Adil Demirci wegen Terrorvorwürfen in der Türkei im Gefängnis. Nun durfte er sich in Istanbul vor Gericht verteidigen. Freilassen wollten die Richter ihn nicht. Ob das auch an der deutschen Delegation im Saal lag?

 In Köln fordern Demonstranten die Freilassung des in der Türkei inhaftierten Adil Demirci (Archiv).

In Köln fordern Demonstranten die Freilassung des in der Türkei inhaftierten Adil Demirci (Archiv).

Foto: dpa/Geisler-Fotopres

Der wegen Terrorvorwürfen in der Türkei angeklagte Kölner Adil Demirci muss in Untersuchungshaft bleiben. Nach einem langen ersten Prozesstag am 25. Strafgericht im Istanbuler Stadtteil Caglayan verfügten die Richter am späten Dienstagabend, dass nur sechs aller 22 im Verfahren angeklagten U-Häftlinge freikommen werden. Demirci war nicht dabei, wie einer seiner Anwälte sagte. Einen Grund hätten die Richter nicht genannt. Der nächste Verhandlungstermin sei auf den 14. Februar 2019 festgesetzt worden. Im Saal hatten der deutsche Generalkonsul Michael Reiffenstuel und die zwei Bundestagsabgeordneten Heike Hänsel (Die Linke) und Rolf Mützenich (SPD) die Verhandlung beobachtet.

Der Kölner Sozialarbeiter, der laut Gerichtsakten sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsangehörigkeit hat, war im April während eines Urlaubs in Istanbul inhaftiert worden. Die Staatsanwaltschaft wirft Demirci, der auch für die linke Nachrichtenagentur Etha geschrieben hat, unter anderem Mitgliedschaft in der linksextremen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei vor. Die MLKP gilt in der Türkei als Terrororganisation. Demirci wies alle Terrorvorwürfe zurück. Seinen 33. Geburtstag wird er am Mittwoch nun trotzdem im Gefängnis in Istanbul verbringen müssen.

Der Aktivist und Autor Günter Wallraff, der die Verhandlung ebenfalls vor Ort beobachtet hatte, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Entscheidung sei eine „Riesenenttäuschung, nachdem selbst Demircis Anwalt und insgesamt wir alle davon ausgingen, dass er freikommt“. Auch Demirci sei zuversichtlich gewesen. Man habe dann aber schon während der Verhandlung gemerkt, dass der Richter auch auf die deutsche Delegation „feindselig reagiert“ habe. „Da spürte man schon ein Gesinnungsurteil.“

Der vorsitzende Richter schien sich von der Delegation in der Tat gestört zu fühlen. An einem Punkt am späten Abend fragte er sichtlich verärgert, wieso die Anwälte alle Argumente so oft wiederholten - ob sie für die Delegation sprächen oder zu den Richtern? Der Prozess gegen Demirci ist der dritte gegen deutsche Staatsbürger wegen „Terrorvorwürfen“ innerhalb kurzer Zeit. Die beiden jüngsten Prozesse gegen Patrick K. aus Gießen und eine Sängerin mit dem Künstlernamen Hozan Cane aus Köln, mündeten Ende Oktober und Mitte November in Gefängnisstrafen von mehr als sechs Jahren.

Der dritte Fall in schneller Folge dürfte das fragile und zuletzt leicht verbesserte Verhältnis mit der Türkei wieder belasten. Im vergangenen Jahr hatte eine Serie von Festnahmen deutscher Bürger zu einer schweren Krise zwischen Berlin und Ankara geführt. Damals wurden aber nur wenige Deutsche auch verurteilt. Stattdessen kamen ab Ende 2017 mehrere prominente U-Häftlinge - darunter der „Welt“-Reporter Deniz Yücel, der Menschenrechtler Peter Steudtner und die Journalistin Mesale Tolu - frei und durften ausreisen.

Das werteten Beobachter - allerdings vor den jüngsten Verurteilungen - zunächst als ein Zeichen des Entgegenkommens der türkischen Regierung, die die gespannten Beziehungen zu Deutschland wieder entspannen möchte. Im September und Oktober kamen nach langer Pause wieder hochrangige deutsche Politiker in die Türkei, unter anderem Außenminister Heiko Maas. Außerdem gab es einen Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Deutschland. Deutsche Politiker betonten aber weiter, dass es keine „Normalisierung“ geben könne, solange noch Bundesbürger „aus politischen Gründen“ in Haft seien. Das Auswärtige Amt zählt derzeit noch fünf Betroffene.

Demirci hatte sich in dem kleinen und überfüllten Saal, flankiert von Polizisten, am Dienstag gegen die ihm angelasteten Terrorvorwürfe zur Wehr gesetzt. „Ich habe keine Verbindung zu illegalen Organisationen“, sagte er vor den drei Richtern. Zu dem Anklagepunkt, dass er „im Namen der MLKP“ in den Jahren 2013 bis 2016 an „unerlaubten Demonstrationen mit Molotow-Cocktails“ teilgenommen haben soll, sagte Demirci, er sei bei drei Trauerfeiern und einer Gedenkveranstaltung gewesen. Es sei dabei um Menschen gegangen, die (in Syrien) gegen die Terrormiliz Islamischer Staat gekämpft hätten. Tausende hätten an diesen Feiern teilgenommen. Waffen habe er nicht gesehen.

Sein Anwalt sagte der dpa, in eine der Veranstaltungen sei Demirci zufällig hineingeraten. Die anderen habe er im Zuge seiner journalistischen Arbeit für die Etha besucht. Zu den Richtern sagte der Anwalt, sein Mandant habe damit keine Straftat begangen. Die Abgeordnete Heike Hänsel hatte noch am Mittag den Ausgang des Verfahrens für offen gehalten. Die Anklage gegen Demirci sei „ähnlich konstruiert wie die gegen Mesale Tolu“, die im Spätsommer nach Deutschland ausreisen durfte. Die Entlassung sei also möglich. Andererseits habe es jüngst „harte Strafen“ gegen Deutsche gegeben. Mützenich kritisierte, es handele sich um ein „politisch motiviertes Verfahren“. Das belaste die deutsch-türkischen Beziehungen.

(wer/dpa)
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