Demos gegen Rassismus und Polizeigewalt Rechtsextreme sollen US-Proteste mit gewaltsamem Ziel unterwandert haben

Washington · In der Nacht zum Donnerstag blieb es bei Protesten vor dem Weißen Haus und in vielen weiteren US-Städten zunächst friedlich. Ex-Präsident Obama hatte einen Rat, wie es weitergehen soll.

 „Die In“ am Mittwochabend vor dem Weißen Haus in Washington: Demonstranten liegen vor einem Polizeitrupp wie Tote aus dem Boden.

„Die In“ am Mittwochabend vor dem Weißen Haus in Washington: Demonstranten liegen vor einem Polizeitrupp wie Tote aus dem Boden.

Foto: AFP/ROBERTO SCHMIDT

In Las Vegas sind drei mutmaßliche Rechtsextremisten unter dem Verdacht festgenommen worden, sich unter die derzeitigen Demonstrationen gegen Rassismus gemischt und zu Gewalt angestachelt zu haben. Die drei Männer im Alter zwischen 23 und 40 Jahren hätten die "legitime Wut" der friedlichen Demonstranten für ihre eigenen "extremistischen Bestrebungen" ausnutzen wollen, erklärte am Mittwoch der für den Bundesstaat Nevada zuständige Bundesanwalt Nicholas Trutanich.

Die Festgenommenen gehören den Angaben zufolge der sogenannten Boogaloo-Bewegung an. Mit dem Codewort "Boogaloo" bezeichnen Rechtsextremisten einen von ihnen angestrebten Bürgerkrieg. Die drei Männer waren nach Angaben der Ermittler im Besitz eines Molotow-Cocktails. Sie wurden am Wochenende bei einem von der Bundespolizei FBI geleiteten Anti-Terror-Einsatz festgenommen.

Nahe dem Weißen Haus protestierten unterdessen Tausende Menschen den sechsten Abend in Folge gegen rassistische Polizeigewalt. „Wir gehen nirgendwo hin“, skandierten die Demonstranten am Mittwoch. Zu Tausenden knieten sie nieder und stimmten das Kirchenlied „Amazing Grace“ an.

Nachdem ein vorangegangener Protestabend friedlich verlief, hatte die Bürgermeisterin von Washington D.C., Muriel Bowser, nun erst ab 23.00 Uhr (Ortszeit) ein Ausgehverbot verhängt. Zuvor hatte es ab 19.00 Uhr gegolten.

Dessenungeachtet ließ die Polizei die Muskeln spielen. Militärpolizisten, Bereitschaftspolizei in Kampfmontur und Sicherheitskräfte etlicher Bundesbehörden zeigten in Washington massiv Präsenz. Mindestens 2200 Gardisten seien am Mittwoch (Ortszeit) auf den Straßen, teilte ein ranghoher Vertreter des Verteidigungsministeriums mit. Zudem waren unter anderem Agenten des FBI und des Secret Service sowie Personal der für die Verwaltung der Bundesgefängnisse zuständigen Behörde BOP auf den Straßen. Militärfahrzeuge blockierten den Zugang des gegenüber vom Weißen Haus gelegenen Lafayette-Parks.

Auch in Los Angeles waren die Proteste am Dienstag und Mittwoch weitgehend friedlich verlaufen. Am Wochenende hatte es noch Ausschreitungen und Sachbeschädigungen in vielen Geschäftsvierteln gegeben. In diesem Zusammenhang seien mehr als 60 Menschen wegen Plünderungen, Raub oder Körperverletzung angeklagt worden, teilte die Staatsanwaltschaft in der kalifornischen Millionenmetropole am Mittwoch mit.

In der Stadt New York ist umgekehrt das Justizsystem ins Visier einer Klage geraten: Demnach wurden dort mehr als 100 während der Proteste am Wochenende festgenommenen Personen mehr als 24 Stunden festgehalten, ohne einem Richter vorgeführt zu werden. Das ist in New York illegal.

Unterdessen sieht Ex-Präsident Barack Obama die derzeitige Lage als Chance. Seiner Ansicht nach sollten die Proteste gegen rassistische Polizeigewalt in konkreten politischen Wandel münden. Ziel müsse sein, Polizeimethoden sicherer zu machen und das Vertrauen zwischen Bürgern und Sicherheitsbehörden zu erhöhen, sagte Obama am Mittwoch bei einem virtuellen Treffen mit jungen Leuten. Jede Bürgermeisterin und jeder Bürgermeister im Land müsse die Taktiken ihrer Polizeien gemeinsam mit den Gemeinden auf den Prüfstand stellen und sich verpflichten, noch vor einer Umsetzung über den Stand der geplanten Reformen zu berichten.

Es gelte, durch Proteste ein Problem zu beleuchten und es für die Mächtigen unbequem zu machen, doch müssten sich daraus „praktische Lösungen und Gesetze“ ergeben, die umgesetzt und überprüft werden könnten, sagte Obama. Dabei müssten politische Wahlen und Proteste sowie politische Teilhabe und ziviler Ungehorsam Hand in Hand gehen, um echten Wandel zu bewirken.

Obama zog bei der digitalen Bürgerstunde auch Parallelen zwischen den aktuellen Unruhen und den Protestbewegungen der 1960er Jahre. Anders als in der Bürgerrechtsbewegung gegen die Diskriminierung der Schwarzen marschiere nun "ein viel repräsentativerer Querschnitt von Amerika" friedlich auf den Straßen, sagte Obama. Umfragen zeigten, dass die Mehrheit der Amerikaner die heutigen Demonstranten unterstütze. Es habe sich eine „breite Koalition“ gebildet, die es damals in dieser Form nicht in Amerika gegeben habe - auch wenn einige der jüngsten Demonstrationen „von Aktionen einer winzigen Minderheit überschattet wurden, die sich an Gewalt beteiligten.“ Doch „schrumpften Proteste“ mit der Zeit, weswegen es wichtig sei, diesen Moment zu nutzen, um endlich eine Wirkung zu entfalten, mahnte Obama.

(peng/dpa)
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