Nach gewaltsamen Protesten Irans Justiz plant Sondergerichte für Demonstranten

Teheran/Berlin · Nach den gewaltsamen Protesten und Festnahmen im Iran hat jetzt die Bundesregierung reagiert. Auch Deutschlands Außenministerin hat sich geäußert. Der Iran will derweil entschieden gegen die Demonstranten vorgehen und plant Sondergerichte.

Demonstranten während eines Protestes in der Innenstadt von Teheran.

Demonstranten während eines Protestes in der Innenstadt von Teheran.

Foto: dpa/Uncredited

Trotz hunderter Festnahmen und massiver Drohungen seitens der Regierung reißen die Proteste im Iran nach dem Tod der jungen Mahsa Amini nicht ab. Iranische Behörden meldeten am Montag mehr als 1200 Festnahmen und mindestens 41 Tote, die NGO Iran Human Rights (IHR) berichtete von mindestens 57 getöteten Demonstranten. Indes bestellte die Bundesregierung angesichts des harten Vorgehens gegen die Proteste den iranischen Botschafter ein.

Unter den Festgenommenen sind nach Angaben des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) mit Sitz in Washington mindestens 18 Journalisten. Auch zahlreiche Aktivisten wurden verhaftet, darunter der Menschenrechtsaktivist Hossein Ronaghi, der für das Recht auf freie Meinungsäußerung im Iran kämpft.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Montag auf, sich bei der iranischen Regierung für die sofortige Freilassung aller inhaftierten Journalisten im Iran einzusetzen. „Dass das Mullah-Regime jetzt Jagd auf Journalisten macht, die über die Unruhen berichten, ist ein Verbrechen“, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall.

Baerbock fordert Sanktionen gegen den Iran

Baerbock hat mittlerweile reagiert und Sanktionen gegen das Land gefordert. „Wir werden im EU-Kreis jetzt sehr schnell über weitere Konsequenzen sprechen müssen, dazu gehören für mich auch Sanktionen gegen Verantwortliche“, sagte die Grünen-Politikerin am Montag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Der Versuch, jetzt friedliche Proteste mit noch mehr tödlicher Gewalt zu unterdrücken, darf nicht unbeantwortet bleiben“, ergänzte sie. „Frauenrechte sind der Gradmesser für den Zustand einer Gesellschaft“, sagte Baerbock zur Begründung. „Wenn in einem Land Frauen nicht sicher sind, ist niemand sicher.“

Angesichts der Gewalt gegen die Demonstranten bestellte die Bundesregierung den iranischen Botschafter ein. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin verwies zudem darauf, dass Baerbock bei angekündigt habe, dass Deutschland die Ereignisse im Iran auf die Tagesordnung des UN-Menschenrechtsrates setzen wolle.

Am Sonntag hatte bereits die EU die „unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt“ durch die iranischen Behörden verurteilt, Teheran hatte die Botschafter Großbritanniens und Norwegens wegen „Einmischung“ im Zusammenhang mit den Demonstrationen einbestellt.

Iran plant Sondergerichte für Demonstranten

Der Leiter der iranischen Justizbehörde, Gholamhossein Mohseni Edschei, hatte am Sonntag ein „entschlossenes Vorgehen ohne Nachsicht“ gegen die Protestierenden gefordert. Staatschef Ebrahim Raisi bezeichnete die Demonstrationen am Samstag als „Krawalle“ und kündigte ein „entschiedenes Vorgehen gegen die Gegner der Sicherheit und des Friedens des Landes und des Volkes“ an.

Die iranische Justizbehörde plant Sondergerichte für Demonstrantinnen und Demonstranten, die bei den landesweiten Protesten festgenommen worden sind. Das gab der Justizchef der Hauptstadt Teheran, Ali Alghassimehr, am Montag bekannt. Auf „Anführer der vom Ausland angeheuerten Unruhestifter“ solle keinerlei Rücksicht genommen werden. „Die Justizbeamten sollen mit ihnen genauso wie mit Vergewaltigern und Schwerverbrechern umgehen“, so der Teheraner Justizchef laut Nachrichtenagentur Tasnim.

Da Regierung und Justiz alle Demonstranten als vom Ausland engagierte Söldner bezeichnet, rechnen Beobachter mit langen Haftstrafen. Zu den Sondergerichten soll auch das Revolutionsgericht gehören, das für Verstöße gegen die nationale Sicherheit zuständig und für seine harten Urteile berüchtigt ist.

Mit rechtlichen Schritten muss laut Justiz auch die iranische Prominenz rechnen, falls sie sich öffentlich mit den „Krawallmachern“ soldarisieren sollte. In den letzten Tagen haben immer mehr Film- und Sportstars die Proteste unterstützt und das islamische Regime für sein Vorgehen gegen Demonstranten kritisiert.

Großayatollah Hossein Nuri Hamedani, einer der einflussreichsten Geistlichen im Iran, rief hingegen die Behörden zum Dialog mit der Bevölkerung auf: „Die Verantwortlichen müssen den Forderungen des Volkes zuhören, seine Probleme lösen und Sensibilität für seine Rechte zeigen“, schrieb der 97-jährige konservative Religionsführer und Unterstützer des obersten geistlichen Führers des Iran, Ayatollah Ali Chamenei, am Sonntag auf seiner Website.

Auslöser der landesweiten Proteste war der Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei. Amini war am 13. September wegen des Vorwurfs festgenommen worden, das islamische Kopftuch nicht den strikten Vorschriften entsprechend getragen zu haben. Sie brach nach ihrer Festnahme unter ungeklärten Umständen auf der Polizeiwache zusammen und wurde drei Tage später im Krankenhaus für tot erklärt.

(mzu/dpa/AFP)
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