Pressestimmen Die internationale Presse feiert Emmanuel Macron
Emmanuel Macron hat sich bei der Parlamentswahl in Frankreich die absolute Mehrheit für seine Reformen gesichert. Die internationale Presse betrachtet das Ergebnis als Zäsur in der Französischen Politik. Ein Blick in den Blätterwald.
Le Figaro (Frankreich): "Bei zwei Wahlen und vier Wahlgängen hat die Revolution En Marche, an die niemand glauben wollte, Frankreich überrollt wie ein Tsunami. Die Linke, die Rechte, die Extremen: Alle Monumente, die seit langem unsere politische Landschaft kennzeichnen, sind überschwemmt (...)
oder zumindest tief erschüttert. Auf den Trümmern dieser "alten Welt" übernimmt eine gänzlich erneuerte politische Generation die Zügel der Legislative(...). In der Geschichte unserer Institutionen ist dies eine Revolution, die seit 1958 (das Jahr der Gründung der Fünften Republik) beispiellos ist."
Libération (Frankreich): "Es ist ein Triumph ohne Begeisterung, ein überwältigender und schlaffer Sieg. Er bedeutet allerdings eine quasi einfarbige Nationalversammlung. Letzten Endes zertrampelt (Macrons Partei) En Marche ihre Gegner; Macron kann sich die ganze Macht greifen; für das Land beginnt ein völlig neues Kapitel."
El País (Spanien): "Unaufhaltsam hat die Macron-Welle Frankreich erfasst. (...) Die sozialliberale zentristische Bewegung La République en Marche kann sich auf den Weg machen, ohne im Parlament eine echte Opposition zu haben. (...) Seit Emmanuel Macron am 7. Mai die Präsidentschaftswahl gewonnen hat, hat er mit vielversprechenden Gesten und den besseren Worte überzeugt. (...) Die ersten Vorschläge stehen schon bereit, um in die Tat umgesetzt zu werden, wobei sein Programm gleichzeitig die Forderungen der Rechten, speziell in puncto Wirtschaft, und der Linken im sozialen Bereich in Einklang bringen möchte."
Politiken (Dänemark): "Politische Siege können auch zu groß sein - in autoritären Staaten zu unglaubwürdig, wenn mächtige Männer mit den Stimmen gepfuscht haben, und in Demokratien zu unzweckmäßig, wenn das Wahlsystem kaum eine taugliche Opposition zulässt. (Präsident Emmanuel) Macrons souveräner Wahlsieg für La République en marche in Frankreich gestern ist glaubwürdig und unzweckmäßig zugleich. Glaubwürdig, weil die französischen Wähler wussten, was sie taten. Unzweckmäßig, weil viel zu viele Franzosen es traurigerweise nicht sinnvoll fanden, abzustimmen, und viel zu viele sich in der neuen französischen Nationalversammlung nicht vertreten fühlen werden."
De Telegraaf (Niederlande): "Damit kann (Präsident) Emmanuel Macron im Prinzip mit freier Hand regieren. Aber allein eine Mehrheit im Parlament genügt in Frankreich noch nicht. Wer unzufrieden ist, kann sich auf der Straße äußern. Darum schaut Frankreich mit angehaltenem Atem der Feuerprobe Macrons zu: der für September geplanten Reform des Arbeitsrechts. (...) Die Vorstellungen sind noch nicht im Detail bekannt, aber die militante Gewerkschaft CGT organisiert schon mal eine Aktionswoche. Die anderen Gewerkschaften warten noch ab, aber sie ließen schon wissen, dass auch sie absolut gegen eine Deckelung der Abfindungen bei Kündigungen sind."
The Times (Großbritannien): "Wenn Macron Erfolg hat, könnte Frankreich endlich Jahrzehnte einer nur schwachen Wirtschaftsleistung hinter sich lassen. Das wäre eine gute Nachricht nicht allein für die Franzosen, sondern auch für Europas finanzielle Stabilität. Ebenso der Plan des Präsidenten, das Bündnis zwischen Frankreich und Deutschland zu stärken und die fiskale Integration der Eurozone voranzubringen - wenngleich eine stärkere französisch-deutsche Allianz weder der erste Schritt zu einer europäischen Armee noch zu einem EU-Machtzentrum sein sollte, das sich als Gegenstück zu den USA definiert. (...) Die Opposition, die eine gut gemeinte Wirtschaftspolitik torpediert, kommt in Frankreich oft genug nicht aus dem Parlament. Macron mag in der Nationalversammlung eine komfortable Mehrheit haben, aber das allein genügt nicht. Gewerkschaftsführer sprechen bereits von Arbeitskämpfen. Sie sind erfahren in der Kriegsführung. Um Erfolg zu haben, wo seine Vorgänger versagten, muss Macron bereit sein, diesen Gewerkschaften die Stirn zu bieten."
Corriere della Sera (Italien): "Nach der Revolution bedarf es nun einer sanften Wiederherstellung des Vertrauens in das System. (...) Denn das andere Gesicht Frankreichs, das arme und enttäuschte, identifiziert sich nicht mit dem neuen sozialen Block, der den jungen Präsidenten unterstützt."
Pravda (Slowkei): "Während die einen über einen weiteren "Neoliberalen" schimpfen, der an die Macht kam, feiern ihn die anderen als Verkörperung einer modernen Politik, die Europa rettet. Doch was da wirklich aus dem Sack dieser politischen Bewegung schlüpft, über die man vor gut einem Jahr noch gar nichts gehört hatte, müssen die Franzosen und wir erst noch abwarten. Vorläufig ist nur eines klar: Macron hat manchen die Chance gegeben, doch nochmals zur Wahl zu gehen und dabei nicht die korrupten Sozialisten oder Republikaner zu wählen und auch nicht die allzu linken Linken oder die abstoßenden Rechtsextremen. Das ist aber alles noch kein Programm, sondern bisher nur Marketing."
Neue Züricher Zeitung (Schweiz): "An der Spitze des Staats (Frankreich) steht jetzt ein Mann, von dem man nicht befürchten muss, dass er das Land ins Chaos reitet. Mit seiner absoluten Mehrheit in der Nationalversammlung verfügt Macron über eine geradezu unheimliche Machtfülle. Er startet mit überaus günstigen Voraussetzungen, um seine Reformagenda voranzutreiben."
DeTijd (Belgien): "Wenn dieses Ergebnis in der zweiten Wahlrunde bestätigt wird, ist für Präsident Macron der Weg zur Durchsetzung seiner Reformen so weit offen wie ein Boulevard. (...) Mit anderen Worten: Der Präsident hat keine Entschuldigung mehr, wenn er seine Versprechen nicht verwirklicht."
Süddeutsche Zeitung: "Das Parlament wirkt wie eine Versammlung von Zöglingen seiner Gnaden. Diese absolutistische Versuchung stellt Macron auf die Probe. Als Kandidat hatte er versprochen, Frankreichs Demokratie zu erneuern. Als Präsident kann er dies einlösen, indem er der Nationalversammlung mehr Rechte zur Kontrolle der Regierung gibt."
"Tagesspiegel": "Macron sollte sich aber nicht allzu sehr darüber freuen, dass er im Parlament - abgesehen von den konservativen Republikanern - voraussichtlich keine nennenswerte Opposition mehr hat. Denn der Widerstand, der ansonsten in der Nationalversammlung angesichts seiner angekündigten Reformprojekte zu erwarten wäre, könnte sich auf die Straße verlagern. Und dort führen in der Regel die radikalen Reformverweigerer das Wort."
Neue Osnabrücker Zeitung: "Ehrgeizige Reformpläne hat der Sozialliberale - die kann er nur mit einer breiten Basis im Parlament umsetzen. Aber die harte Alltagspolitik, das mühsame Regieren wird auch einen Macron entzaubern."