Ukraine-Krise Poroschenko bei Maidan-Gedenkfeier in Kiew ausgebuht

Kiew · Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko wurde bei der Gedenkfeier zum Beginn der Maidan-Proteste im vergangenen Jahr von Angehörigen der Opfer ausgebuht. Die fünf proeuropäischen Parteien im Kiewer Parlament haben sich unterdessen auf die Bildung einer breiten Koalition verständigt, deren Ziele im Moment unerreichbar scheinen.

 Die Demonstranten fordern von Poroschenko eine Beendigung der prosrussischen Aufstände im Osten des Landes.

Die Demonstranten fordern von Poroschenko eine Beendigung der prosrussischen Aufstände im Osten des Landes.

Foto: dpa, gam htf vfd

Beim Gedenken an den Start der proeuropäischen Proteste vor einem Jahr ist der ukrainische Präsident Petro Poroschenko ausgebuht worden. "Schande! Warum wurde niemand bestraft?", riefen dutzende Angehörige von Opfern, die im Februar von mutmaßlichen Scharfschützen erschossen worden waren. Die Demonstranten forderten die Beendigung des prorussischen Aufstands im Osten. Die neue Regierungskoalition erklärte den Nato-Beitritt zu einem ihrer wichtigsten Ziele.

"Poroschenko, wo sind die Mörder unserer Kinder?" stand auf einem Plakat der Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz. "Dank des Bluts unserer Kinder sind Sie ins Amt gekommen", rief ein Demonstrant dem Präsidenten entgegen. Poroschenko legte in der Instituzka-Straße, wo im Februar die meisten Demonstranten getötet worden waren, einen Kranz nieder.

Vorläufigen Ermittlungsergebnissen zufolge steckte der vom damaligen Regierungschef Viktor Janukowitsch kontrollierte Geheimdienst hinter dem Einsatz der Scharfschützen. Vorwürfe, auch radikale militante Demonstranten könnten geschossen haben, um eine Eskalation herbeizuführen, wurden bis heute nicht aufgeklärt.

Am 21. November 2013 hatte Janukowitsch die geplante Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der EU überraschend abgesagt und sich stattdessen Moskau zugewandt. Der radikale Kurswechsel provozierte die Massenproteste in Kiew, die im Februar zu gewaltsamen Straßenkämpfen führten. Die Todesschüsse vom Maidan am 20. und 21. Februar, denen fast hundert Menschen zum Opfer fielen, ließen die Lage außer Kontrolle geraten; Janukowitsch floh nach Russland und die Pro-Europäer übernahmen das Parlament.

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Der Umsturz löste aber auch die prorussische Rebellion im überwiegend russischsprachigen Osten aus und beschwor den Konflikt mit Russland herauf, das im März die Krim annektierte. Erst am Freitag warf die ukrainische Armee Moskau vor, erstmals seit dem Abschluss einer Waffenruhe Anfang September wieder vom eigenen Gebiet aus einen ukrainischen Grenzposten in der Region Lugansk mit Artillerie beschossen zu haben.

US-Vizepräsident Joe Biden traf am Freitag in Kiew mit Präsident Poroschenko und Ministerpräsident Arseni Jazenjuk zusammen. Biden erfüllte indes nicht die Hoffnungen der Regierung, die Lieferung von Waffen zuzusagen. Davor hatte Moskau eindringlich gewarnt. Allerdings schickte Biden eine scharfe Drohung an den Kreml: Trage Russland weiterhin nicht zur Umsetzung der Vereinbarung von Minsk bei, riskiere das Land "steigende Kosten und eine größere Isolation".

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Die fünf proeuropäischen Parteien im ukrainischen Parlament einigten sich knapp vier Wochen nach der Wahl auf die Bildung einer breiten Koalition. Das Bündnis werde 300 der 450 Abgeordneten stellen, sagte der amtierende und wohl auch künftige Ministerpräsident Jazenjuk. Damit gibt es eine Zwei-Drittel-Mehrheit, mit der Verfassungsänderungen beschlossen werden können.

Als eine Priorität wird im Koalitionsvertrag die Bewerbung um eine Nato-Mitgliedschaft festgelegt. Noch vor Ende des Jahres soll ein Gesetz verabschiedet werden, in dem diese Absicht festgeschrieben wird. Das westliche Militärbündnis selbst hat Kiew bislang nicht in Aussicht gestellt, seine Tür zu öffnen - nicht zuletzt wegen des massiven Widerstands aus Moskau.

(AFP)
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