Streit um Rechtsstaatlichkeit Polen wirft EU "Erpressung" vor

Brüssel · Mit scharfen Worten hatte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen im Europaparlament ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, das EU-Recht untergräbt, kritisiert und angekündigt, zu handeln. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sieht sein Land bedroht.

 Ursula von der Leyen und Mateusz Morawiecki.

Ursula von der Leyen und Mateusz Morawiecki.

Foto: dpa/Pawel Supernak

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat die Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichts zum Vorrang nationalen Rechts vor EU-Recht als Bedrohung für die Grundlagen der Union bezeichnet. In einer Rede vor den Europaabgeordneten in Straßburg erklärte von der Leyen am Dienstag, das Urteil gefährde die Einheit der EU und untergrabe den Schutz der richterlichen Unabhängigkeit.

„Wir können und werden nicht zulassen, dass unsere gemeinsamen Werte aufs Spiel gesetzt werden“, sagte die Kommissionschefin. „Die Rechtsstaatlichkeit ist der Kitt, der unsere Union zusammenhält.“ Von der Leyen drohte Polen in der Debatte wegen der Infragestellung von EU-Recht mit neuen Verfahren, die auch zur Kürzung von EU-Mitteln oder dem Entzug des Stimmrechts bei EU-Entscheidungen führen könnten.

Der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki warf der der EU im Anschluss an die Rede von der Leyens "Erpressung" vor. "Ich bin nicht damit einverstanden, dass Politiker Polen erpressen wollen und Polen drohen", sagte der Ministerpräsident. "Die Sprache der Bedrohungen und Erpressungen möchte ich zurückweisen", sagte Morawiecki. Diese sei zu einer Methode gegenüber einigen Mitgliedstaaten geworfen, fügte der Regierungschef hinzu. „Die Kompetenzen der EU haben ihre Grenzen, wir können nicht länger schweigen, wenn sie überschritten werden“

Die Beziehungen zwischen Polen und der EU erreichten Anfang des Monats einen neuen Tiefpunkt, nachdem das polnische Verfassungsgericht entschieden hatte, dass polnische Gesetze Vorrang vor denen der Europäischen Union haben. Damit eskalierten die anhaltenden Spannungen zwischen der rechtsnationalistischen Regierung des Landes und den Brüsseler Institutionen über demokratische Standards.

Abhängig vom Umgang der polnischen Regierung mit dem Urteil stehen der Kommission Druckmittel gegen Warschau zur Verfügung, um eine Einhaltung des EU-Rechts zu erzwingen. So könnte sie den Zugriff Polens auf europäische Mittel zur Wiederbelebung seiner Wirtschaft nach der Corona-Pandemie weiterhin blockieren. Die Kommission könnte auch einen Mechanismus aktivieren, der es ermöglicht, Zahlungen von EU-Geldern an ein Mitgliedsland auszusetzen, das die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit in einer Weise verletzt, die den Haushalt oder die finanziellen Interessen der Gemeinschaft beeinträchtigt.

Von der Leyen zeigte sich in Straßburg kompromissbereit. „Wir wollen ein starkes Polen in einem geeinten Europa“, sagte sie.

(dpa/AFP)
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