Streit um Rundfunkgesetz Nationalkonservative Koalition in Polen geplatzt

Update | Warschau · Die von der nationalkonservativen PiS-Partei angeführte Regierungskoalition in Polen ist zerbrochen. Ministerpräsident Morawiecki entließ seinen Vize Gowin. Daraufhin verließ dessen Partei das Bündnis.

 Jaroslaw Kaczynski (vorne), Vorsitzender der polnischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) (Archivfoto).

Jaroslaw Kaczynski (vorne), Vorsitzender der polnischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) (Archivfoto).

Foto: dpa/Czarek Sokolowski

In Polen steht das nationalkonservative Regierungsbündnis von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki vor dem Ende. Der bisherige Vize-Regierungschef Jaroslaw Gowin kündigte nach der Entlassung durch Morawiecki am Dienstagabend in Warschau die Zusammenarbeit seiner Gruppierung mit der Regierungspartei PiS auf. Nach sechs Jahren des gemeinsamen Regierens sei man aus dem Bündnis hinausgeworfen worden, sagte Gowin dem Sender TVN24. Dies bedeute das Ende des Projekts.

Der 59-Jährige vertritt die konservative Gruppierung Porozumenie (Verständigung), die mit der PiS und einer weiteren Kleinpartei bislang ein Listenbündnis unter dem Namen „Vereinte Rechte“ bildete. Gowin war bis zu seiner Entlassung Entwicklungsminister und zugleich Vize-Regierungschef. Offiziell hieß es zur Begründung, Gowin und die Abgeordneten seiner Gruppierung hätten nicht ausreichend an Reformen der PiS mitgearbeitet. Eigentlicher Hintergrund ist aber Streit um eine Änderung des Rundfunkgesetzes.

Die von der PiS im Juli eingebrachten Pläne sehen vor, dass Rundfunklizenzen nur noch dann an Ausländer vergeben werden können, wenn diese „ihre Zentrale oder ihren Wohnsitz im Bereich des Europäischen Wirtschaftsraums haben“. Zusätzlich gilt die Bedingung, dass der Lizenznehmer nicht abhängig sein darf von jemandem, der Zentrale oder Wohnsitz außerhalb hat. An diesem Mittwoch soll darüber abgestimmt werden.

Nach Ansicht von Kritikern zielt das Gesetz auf den Privatsender TVN, der über eine in den Niederlanden registrierte Holding Teil des US-Konzerns Discovery ist. Besonders der Nachrichtensender TVN24 vertritt eine PiS-kritische Linie. Dort kam am Abend auch der entlassene Vize-Regierungschef zu Wort. Fast zeitgleich gingen mehrere Tausend Menschen in verschiedenen polnischen Städten gegen das Gesetz auf die Straße.

Nach seinem Rauswurf erneuerte Gowin seine Kritik an der Gesetzesänderung. Diese könnte Polen in einen Konflikt mit seinem wichtigsten Verbündeten bringen, den USA. „Es hat etwas Symbolisches, dass meine Entlassung in dem Moment verkündet wurde, da es in ganz Polen Proteste gegen ein Gesetz gab, das nicht zufällig „Lex TVN“ genannt wird.“ Am Dienstag gab es in mehreren polnischen Städten Proteste gegen das geplante Rundfunkgesetz.

Gowin erfuhr nach eigenen Angaben aus den Medien von seiner bevorstehenden Entlassung. „Wir verlassen die Regierung erhobenen Hauptes“, erklärte Gowin, der auch seinen Posten als Arbeitsminister verlor. Seine Entlassung markiere das Ende des Bündnisses „Vereinigte Rechte“ und „de facto den Bruch der Regierungskoalition“. In den vergangenen Monaten hatten die Spannungen zwischen Gowins Partei und der PiS zugenommen. Anlass waren neben dem Mediengesetz auch geplante Steuererhöhungen, die der Vize-Regierungschef ablehnte.

Gowin antwortete ausweichend auf die Frage, mit wem seine Gruppierung nun zusammenarbeiten wolle. „Wir sind offen für eine Zusammenarbeit mit allen, die unsere Werte teilen“, sagte er. Von dem Abstimmungsverhalten der Abgeordneten seiner Gruppe könnte es abhängen, ob die PiS die absolute Mehrheit im Parlament behält.

Regierungssprecher Piotr Müller sagte, er denke nicht, dass die PiS-Regierung ihre Mehrheit verlieren werde. Als eigentlicher starker Mann der polnischen Politik gilt PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, der zugleich Vize-Ministerpräsident ist.

Nach dem Rückzug ihres Juniorpartners ist die PiS nun auf die Unterstützung von Abgeordneten anderer Parteien aus dem rechten Spektrum angewiesen. Das Bündnis verfügt bislang über eine knappe Mehrheit von 232 der 460 Parlamentssitze. Sollten alle zehn Abgeordneten von Gowins Partei Verständigung der Regierung die Gefolgschaft verweigern, würde Morawieckis Koalition nur noch auf 222 Sitze im Parlament kommen.

(peng/ahar/AFP/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort