Geplante Bankdaten-Weitergabe der EU Per Überweisung ins Visier der Fahnder

Brüssel (RPO). In der Debatte um die Weitergabe von Bankdaten europäischer Kunden an die USA steht EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso im Kreuzfeuer der Kritik. Durch das Abkommen könnte künftig jeder EU-Bürger ins Visier der US-Terrorfahnder geraten, sobald er eine Standardüberweisung tätigt. Datenschützer sind empört, im EU-Parlament droht ein "Riesen-Putsch".

Wie die Bankdaten-Weitergabe funktioniert
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Foto: dpa/gms

Der Fraktionschef der Grünen im Europaparlament, Daniel Cohn-Bendit, forderte Barroso in der "Berliner Zeitung" auf, die EU-Volksvertreter in das Vorhaben einzubinden oder die Pläne sofort zu stoppen. "Sonst wird es einen Riesen-Putsch im Parlament geben", sagte Cohn-Bendit dem Blatt. "Barroso spielt mit dem Feuer."

Die EU-Außenminister wollen an diesem Montag die Kommission zu Verhandlungen über ein Abkommen ermächtigen, das US-Terrorfahndern den dauerhaften Zugriff auf Daten des Finanzdienstleisters Swift mit Hauptsitz in Belgien sichert. Swift wickelt nach eigenen Angaben täglich rund 15 Millionen Transaktionen weltweit ab, darunter auch Standardüberweisungen in der EU. Bankkunden kennen den Dienstleister von dem Swift/Bic-Code, der die internationale Bankleitzahl kennzeichnet.

Nach Angaben des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Peter Schaar, wird die US-Regierung neben Auslandsüberweisungen auch Zugriff auf Transaktionen innerhalb Deutschlands erlangen. Er forderte im "Deutschlandfunk" die Einbeziehung des Europäischen Parlaments sowie des Bundestags. Niemand wisse, um welche Datenmengen es sich bei dem Thema handele. Zudem sei es bereits jetzt in Einzelfällen möglich, auf Bankdaten zuzugreifen und diese an die USA zu übermitteln.

Dass dabei die Weitergabe der Daten dem Bürger im Einzelfall nicht mitgeteilt werden solle, sei starker Tobak. Der Datenschutz werde so geschwächt. Grünen-Fraktionsvize Jürgen Trittin kritisierte das Vorhaben in der "Berliner Zeitung" als "pauschale Ausspähung". Die SPD-Europa-Abgeordnete Birgit Sippel zweifelt zudem die Bedeutung der Bankdaten für die Terrorbekämpfung an und warnte vor einem möglichem "Missbrauch".

Trotz der scharfen Kritik hält die EU an den geplanten Verhandlungen fest. Die schwedische EU-Ratspräsidentschaft erklärte am Montag zum Auftakt eines Außenministertreffens in Brüssel, das Mandat für die Verhandlungen solle ohne weitere Debatte beschlossen werden. Für die Bundesregierung versicherte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Günter Gloser, in den Verhandlungen mit den USA werde der Datenschutz eine wichtige Rolle spielen.

Was ist Ziel des Abkommens?

Die EU-Kommission erhofft sich einen "systematischeren Austausch" der Fahndungsdaten mit EU-Behörden. US-Fahnder hätten künftig Zugriff auf Angaben europäischer Privatbürger und Unternehmen. Die EU glaubt, dadurch von den US-Behörden auch Hinweise für die eigene Fahndung zu erhalten.

Um welche Daten geht es?

Unter den Transaktionen, die Swift zwischen mehr als 8300 Banken weltweit abwickelt, sind auch Standardüberweisungen in der EU. In der Theorie könnte damit jeder EU-Bürger ins Visier der US-Fahnder geraten, sobald er eine Überweisung über Swift tätigt. Das System übermittelt den Namen des Absenders und Empfängers einer Überweisung, die Kontodaten, den Verwendungszweck und die Summe. Diese Daten sollen nach dem Verhandlungsmandat mit den USA maximal fünf Jahre zur Terrorfahndung gespeichert werden können.

Wie kann der Bürger seine Daten schützen?

Kaum. Denn von dem Zugriff auf ihre persönlichen Daten erfahren die Bürger normalerweise nichts. Die Bundesregierung hat nach Diplomatenangaben darauf beharrt, dass in dem Abkommen mit den USA ein Klagerecht betroffener Bürger verankert wird. Inwiefern dieser Rechtsschutz gewährleistet werden kann, ist jedoch offen.

Ab wann soll die Vereinbarung gelten?

Das vorläufige Abkommen soll bereits im Herbst in Kraft treten und damit noch vor dem Vertrag von Lissabon, der dem EU-Parlament ein Vetorecht einräumen würde. Als Kommissionspräsident wird Barroso die Gesamtverantwortung für die Verhandlungen haben. Das Parlament hat vor Inkrafttreten des EU-Reformvertrags von Lissabon kein Mitspracherecht. Der Vertrag kann frühestens nach einem positiven Referendum in Irland am 2. Oktober in Kraft treten.

(asl/fb)
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