Parlamentswahl in Israel Benjamin gegen Benjamin

Jerusalem · Israels Premier Benjamin Netanjahu hat sein Land so lange regiert wie kein anderer vor ihm. Bei der Parlamentswahl am Dienstag kämpft er ums politische Überleben. Sein bedeutendster Gegner ist wieder einmal Benjamin Gantz.

 Im Hauptquartier des Likud-Wahlkampfteams laufen die letzten Vorbereitungen.

Im Hauptquartier des Likud-Wahlkampfteams laufen die letzten Vorbereitungen.

Foto: AFP/HAZEM BADER

Avigdor Lieberman ist guter Dinge. Der Chef der rechtsnationalen Partei Israel Beteinu (Unser Zuhause Israel) geht mit der Perspektive in die Wahl, seine fünf Sitze im Parlament zu verdoppeln. Voller Schadenfreude zieht er, als er jüngst ans Rednerpult einer Wahlkonferenz in Herzlia tritt, über seinen Erzfeind Benjamin Netanjahu (Likud) her. Den noch amtierenden Regierungschef überraschte bei einer Wahlkampagne in Aschdod, nördlich von Gaza, Raketenalarm. Von Sicherheitsleuten eng umringt und vor laufenden Kameras musste Netanjahu seine Rede unterbrechen und Schutz im Bunker suchen. Die palästinensischen Islamisten in Gaza zwingen Israels Mr. Security zum Rückzug. „Ein PR-Desaster“, schrieb „Haaretz“. Das peinliche Video ist Wasser auf den Mühlen der gegnerischen Parteien. Netanjahu, der so oft versprach, alles für die Sicherheit der den Gazastreifen umgebenen israelischen Ortschaften zu tun, hätte nicht deutlicher und noch dazu öffentlich mit dem eigenen Versagen konfrontiert werden können.

Den Netanjahu-Überdrüssigen verdankt Lieberman die für ihn günstigen Wahlprognosen und den weltlichen Israelis, die es satthaben, allein den Kopf im Militärdienst hinzuhalten, während die orthodoxen Juden Bibeltexte studieren. Lieberman verspricht, eine „Regierung der Halacha“ zu verhindern, einen Religionsstaat. „Eine Schule für Propheten wollen sie haben“, lästert der weltliche Politiker gegen den ernsthaften Vorschlag des frommen Bildungsministers.  Lieberman schüttelt verächtlich den Kopf und holt aus zu einem neuen Angriff gegen den Regierungschef. Netanjahu zahle „Millionen an die Hamas“, und er habe die Einführung der Todesstrafe für Terroristen verhindert. „Das ist keine rechte Politik.“

Lieberman nutzt die Bühne für seinen Kampf gegen die beiden aussichtsreichsten Kandidaten. Auch Benny Gantz, Chef der Partei Blau-Weiß, kommt bei dem spröden Politiker, der einst aus Moldawien einwanderte, nicht ungeschoren davon. Blau-Weiß sei ein künstliches Gebilde, erklärt Lieberman in noch immer russisch gefärbtem Hebräisch. Gantz und seine Mitstreiter „gehen von Station zu Station und sammeln Trampisten auf“. Schon bald nach der Wahl werde das Bündnis wieder auseinanderfallen und von der Bildfläche verschwinden. Die Wähler aber seien klug genug, „um zwischen dem Original und der Fälschung zu unterscheiden, Israel Beteinu ist das Original“. Seine Zuhörer erreicht Lieberman nicht. Das Publikum im Konferenzsaal kommt aus Israels gehobener Mittelschicht, Bildungsbürger, die überwiegend linksliberal wählen und auf Blau-Weiß hoffen, damit Netanjahu endlich von der Bildfläche verschwindet.

Eine große Koalition schwebt Gantz vor. Das Zusammengehen von Blau-Weiß und Likud macht Sinn, denn inhaltlich nehmen sich die beiden Parteien nichts. Nur zu gern würde sich auch Lieberman einer solchen Regierung anschließen. Endlich eine Koalition ohne religiöse Beteiligung. Nur eine Bedingung müsste erfüllt sein: Netanjahu geht nach Hause. „An dem Tag, an dem Netanjahu keine 61 (der insgesamt 120 Knesset-Mandate) zusammenbringt, ist seine Karriere vorbei.“ Eine dritte Wahl wird es nicht geben, prophezeit Lieberman, und man fragt sich, woher er seine Überzeugung nimmt. Sollten die Rechtsparteien in den letzten Tagen vor der Wahl nicht noch zulegen, um ohne Lieberman die 61 Mandate zu erreichen, könnte es nur eine große Koalition oder eine Neuwahl geben. Die letzten Umfragen zeigen ein ähnliches Bild wie bei der Wahl im April. Jeweils ein Viertel der Stimmen geht demnach an die beiden großen Parteien, mit leichtem Vorsprung für Blau-Weiß. Ohne den Likud hat Gantz keine Chance, eine regierungsfähige Koalition zu bilden.

Zum zweiten Mal in weniger als sechs Monaten müssen Israels mündige Bürger wählen. Wer nicht ab und zu den Fernseher oder das Radio einschaltet, könnte die Wahl am Dienstag glatt verpassen. Die Kampagnen finden in den Medien, in der Knesset oder in Konferenzräumen statt, weniger auf der Straße, wo sich Müdigkeit breitmacht, vor allem im linken Lager. Die einst so stolze Arbeitspartei und auch die linksliberale Meretz ringen ums Überleben. Ein radikaler Kurswechsel ist ohnehin nicht zu erwarten. Allenfalls Netanjahu ablösen. Damit wäre schon viel erreicht.

Netanjahu bleibt sich bei seiner Kampagne treu. Seite an Seite mit US-Präsident Donald Trump zeigt ihn dasselbe riesige Wahlplakat, das der Likud schon im April aufhängen ließ. Er hetzt weiter gegen die arabischen Staatsbürger und gegen „die Linken“, zu denen er Gantz und inzwischen auch Lieberman zählt. Für Netanjahu geht es um sein politisches Überleben, und für das rechte Lager um vier entscheidende Mandate. Wird Netanjahu nicht erneut Regierungschef, drohen ihm Prozesse wegen Korruption und vermutlich Gefängnis. Schafft er es doch wieder, hätten ihm die Wähler das wichtigste Argument geliefert, gesetzliche Immunität für den Ministerpräsidenten durchzusetzen.

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