Eskalation im syrischen Bürgerkrieg Opposition spricht von 1300 Giftgas-Toten

Istanbul/Paris/London · Berichten zufolge ist es im syrischen Bürgerkrieg zu einem massiven Einsatz von Chemiewaffen durch die Armee gekommen. Dabei sollen bis zu 1300 Menschen ums Leben gekommen sein. Das Regime Assad weist diese Darstellungen entschieden zurück.

Dies sagte der syrische Oppositionelle George Sabra am Mittwoch vor Journalisten in Istanbul. Nach Darstellung der syrischen Opposition hatten Regierungsanhänger am frühen Mittwochmorgen bei einem Angriff auf Vororte von Damaskus mit Nervengas bestückte Raketen und konventionelle Waffen verwendet.

Vertreter der Regierung bestritten den Gebrauch von Chemiewaffen. Video-Bilder aus den Vororten östlich der syrischen Hauptstadt zeigten Menschen, die offenbar kaum Luft bekamen, manche hatten Schaum vor dem Mund. Es waren viele Tote zu sehen ohne Anzeichen von äußerlichen Verletzungen.

Die syrische Opposition und die Arabische Liga appellierten an die UN-Chemiewaffen-Experten, die sich im Moment in Damaskus aufhalten, sich selbst vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. Auch Frankreich, Großbritannien und die Türkei setzen sich bei den Vereinten Nationen für eine Untersuchung des möglichen Giftgasangriffes ein.

USA "tief besorgt"

Die USA haben sich tief besorgt über Berichte neuer Giftgas-Angriffe des syrischen Regimes von Machthaber Baschar al-Assad geäußert. "Wir arbeiten dringlich daran, zusätzliche Informationen zu bekommen", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, am Mittwoch. Die USA riefen die Vereinten Nationen (UN)
auf, diese neuen Vorwürfe unbedingt zu untersuchen. Das UN-Team, das derzeit in Syrien sei, habe dazu auch die Befugnis und müsse vollen Zugang bekommen. "Wenn die syrische Regierung nichts zu verbergen hat ... , dann wird sie den sofortigen und uneingeschränkten Zugang zu diesem Ort unterstützen", sagte Earnest. Er rief auch nach Konsultationen über die Vorwürfe im UN-Sicherheitsrat.

Die Vereinten Nationen wollen neuesten Vorwürfen nachgehen, denen zufolge die syrische Regierung Giftgas gegen die Rebellen-Hochburgen nahe Damaskus einsetze. Er selbst habe nur Fernsehbilder des Anschlags gesehen, von dem die syrische Opposition berichte, sagte der Chef des UN-Expertenteams für Chemiewaffen, Åke Sellström, der schwedischen Nachrichtenagentur TT am Mittwoch. "Die erwähnte hohe Anzahl Verletzter und Getöteter klingt verdächtig. Es klingt wie etwas, das man untersuchen sollte", zitierte TT den Experten. Für eine Untersuchung müsste sich Sellström zufolge ein UN-Mitgliedstaat an den Generalsekretär der Vereinten Nationen wenden.

Berlin: Haben keine Kenntnis von Giftgas-Einsatz

Die Bundesregierung hat nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin keine eigenen Erkenntnisse zu Vorwürfen der Opposition in Syrien, dass Anhänger von Präsident Baschar al-Assad bei einem Angriff auf Rebellenhochburgen Giftgas eingesetzt hätten. "Wir können diese Vorwürfe zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bewerten", sagte ein Sprecher des Außenministeriums am Mittwoch vor Journalisten in Berlin. Das Auswärtige Amt stehe in engem Kontakt mit den Vereinten Nationen. Deren Waffeninspekteure, die sich in Syrien aufhalten, müssten umgehend Zugang den Orten erhalten, an denen angeblich Giftgas eingesetzt worden sei. Auch der Bundesnachrichtendienst als deutscher Auslandsgeheimdienst erklärte, er könne zu den Berichten von einem Giftgas-Angriff in Syrien noch nichts sagen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verlangte eine rasche Untersuchung durch unabhängige Beobachter. "Sollten sich die Angaben bewahrheiten, so ist dies ein entsetzliches Verbrechen", sagte Merkel bei einer Veranstaltung der "Stuttgarter Zeitung". Waffenlieferungen an die Opposition schloss die Kanzlerin aus.

Der französische Präsident François Hollande wolle die UN bitten, den Ort der Attacke zu untersuchen, sagte Regierungssprecherin Najat Vallaud-Belkacem in Paris nach einer Kabinettssitzung.

Großbritanniens Außenminister William Hague sprach von einer "schockierenden Eskalation". Sollten sich die Berichte bestätigen, würden die Verursacher zur Verantwortung gezogen - "auf jede Weise, die uns zur Verfügung steht", sagte Hague in London. Er forderte die Führung in Damaskus auf, den UN-Inspekteuren sofort Zugang zu gewähren.

Auch das türkische Außenministerium erklärte nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu, das nach Damaskus gereiste Team solle den Sachverhalt aufklären. Sollte sich ein Giftgaseinsatz bestätigen, müsse die internationale Gemeinschaft auf dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit reagieren.

(dpa/REU)
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