Mächtige US-Waffenlobby Obamas chancenloser Kampf gegen die "NRA"

Düsseldorf · Barack Obama ist der mächtigste Mann der Welt. Und doch befindet sich der US-Präsident in einem Dilemma. Nach den jüngsten Amokläufen in Colorado und Wisconsin würde Obama gerne ein heikles Thema anpacken: die laschen Waffengesetze. Er wird es voraussichtlich nicht tun.

Schießerei in Sikh-Tempel in Wisconsin
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Nicht Mitt Romney von den Republikanern ist derzeit Barack Obamas ärgster Konkurrent im Wahlkampf. Größten Respekt hat der US-Präsident von den Demokraten vor der "NRA", der "National Rifle Association". Die 1871 gegründete Organisation, die den sicheren Umgang mit Waffen propagiert, ist eigenen Angaben zufolge die älteste Bürgerrechtsbewegung der USA.

Das Selbstverständnis der "NRA" verdeutlicht, mit wem es Obama nach den jüngsten Amokläufen in Colorado und Wisconsin mit 19 Toten und dem neuerlichen Aufflammen einer Diskussion über schärfere Waffengesetze in den USA zu tun hat: einer Vereinigung, die fest in der amerikanischen Gesellschaft verankert ist.

NRA hat vier Millionen Mitglieder

Zahlen belegen dies: Mehr als vier Millionen US-Bürger fühlen sich der Waffenvereinigung zugehörig. Die "NRA" dringt in alle Schichten der USA vor. Sie hat großen Einfluss. Prominente Persönlichkeiten wie Schauspieler Clint Eastwood ergreifen öffentlich Partei für die US-Waffenfreunde.

Seit Jahren predigt die "NRA" ihre verworrene Philosophie: Erst durch das Recht jedes US-Bürgers, eine Waffe bei sich tragen zu dürfen, würde die Sicherheit des Landes erhöht.

Die Machtposition der "NRA" wird in diesen Tagen ganz besonders deutlich. Oder anders formuliert: Vielmehr scheint es die Ohnmacht führender Politiker zu sein, entschieden für strengere Waffengesetze einzutreten — und damit indirekt den Kampf mit der "NRA" aufzunehmen.

Jeder Versuch, eine Verschärfung bestehender Gesetze zu erreichen, wird als Angriff auf die bürgerliche Freiheiten verstanden. Die "NRA" hat es verstanden, die Waffe im Haushalt zur kulturellen Eigenheit zu überhöhen. Es ist eine Eigenheit der USA.

Obamas schwieriger Spagat

Und so versucht Obama (so wie viele seiner Vorgänger auch) einen schwierigen Spagat: Zum einen möchte er die Waffengesetze verschärfen, zum anderen kann es sich der Amtsinhaber in Wahlkampf-Zeiten nicht leisten, durch die Einschränkung eines US-typischen Kulturguts Wähler zu vergrätzen. Erst recht nicht die wichtige Gruppe der Wechselwähler, die noch unentschlossen ist und möglicherweise bei Romney ihr Kreuzchen machen würde.

So gerne Obama seine Wahlkampfstrategie in diesem Punkt wohl ändern würde, so sicher scheint auch, dass er den Machtkampf mit der "NRA" nicht aufnehmen wird. Sein ganz persönlicher Spagat klingt dann wie folgt: "Ich werde weiterhin mit Mitgliedern beider Parteien und religiösen Gruppen und Bürgerorganisationen zusammenarbeiten, um einen Konsens zur Reduzierung der Gewalt zu erreichen."

Gleichzeitig schränkt er ein: "Wie die meisten Amerikaner glaube ich, dass der zweite Zusatzartikel der Verfassung ein individuelles Recht auf Waffenbesitz garantiert." Jagen und Schießen seien schließlich Teil eines "geschätzten nationalen Erbes". Wie ein von Obama am Dienstag geforderter Waffenkonsens aussehen soll, lässt er offen.

Halbherziger Aufruf

New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg, der selbst für eine schärfere Überprüfung von Waffenbesitzern eintritt, fasst die Situation wie folgt zusammen: "Vielleicht ist es an der Zeit, dass die beiden Menschen, die Präsident der Vereinigten Staaten werden wollen, aufstehen und uns sagen, was sie in der Frage tun werden."

Obamas Antwort: Er wolle führende Mitglieder der Gesellschaft zu Gesprächen zusammenbringen. Einen konkreten Zeitpunkt dafür nannte er nicht. Und so dürfte sein halbherziger Aufruf an die Landsleute, in sich zu gehen und nach Wegen zur Verhinderung von Gewalt zu suchen, in der Weite des Mittleren Westens verhallen.

Sein republikanischer Konkurrent Romney versucht erst gar nicht, das hochbrisante Thema anzupacken und verweist auf den illegalen Waffenbesitz des Aurora-Attentäters. Schärfere Waffengesetze, so seine Ansicht, hätten die Bluttat in Colorado auch nicht verhindert.

Bürger gegen schärfere Gesetze

Es bleibt mehr als fraglich, ob einer der beiden — Obama oder Romney — Bloombergs Wunsch nachkommt. Eine Umfrage des Pew Research Centers Ende Juli zeigt, dass 46 Prozent der Befragten sich für das Recht aussprechen, Waffen zu besitzen (Republikaner 70 Prozent, Demokraten 30 Prozent).

Das Bild hat sich dramatisch gewandelt: Vor zwölf Jahren noch waren zwei Drittel der US-Bürger für schärfere Waffengesetze und nur 29 Prozent dagegen. Laut einer Reuters-Ipsos-Umfrage vom April befürwortet eine Mehrheit der US-Bürger das Recht, sich auch mit Mitteln zu verteidigen, die den Tod des Angreifers zur Folge haben können.

Auch wenn eine Gruppe Abgeordneter seiner Demokraten sich am Dienstag für ein schärferes Waffenrecht einsetzte — im Wahljahr wird sich Obama bei diesem unpopulären Thema nicht die Finger verbrennen wollen. Die laschen Waffengesetze werden also weiter unangetastet bleiben und die NRA ihre Stellung behaupten.

(nbe)
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